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Ganz einfache These warum NSA für viele kein Skandal ist

September 29th, 2013 — 10:23am

Ich gehöre ja auch zu denen, die es fassungslos macht wie wenig Prism/Tempora & Co als Skandal wahrgenommen werden, in der öffentlichen Debatte, im Wahlkampf, aber auch in ganz normalen Diskussionen unter Freunden. Relativ schnell kann man dabei zu sehr grundlegenden Zweifeln über die Qualität unserer Demokratie oder die dumpfe Trägheit der Massen kommen etc. Und ständig murmelt man vor sich hin “es kann doch nicht sein, dass Eure gesamte Kommunikation, jeder Aspekt Eures Lebens überwacht werden und es euch scheissegal ist!!” und “warum habt ihr Euch über die Stasi so aufgeregt und jetzt nicht?” usw.

Irgendwann wurde mir klar, dass es vielleicht an einem ganz banalen Fakt liegt den “wir” gerne ausblenden oder überhaupt nur schwer wahrnehmen: Das Internet ist für die allermeisten Menschen in Deutschland eben nicht ihr Leben, es ist noch nichtmal ein wichtiger Bestandteil davon, sondern sie nutzen es bestenfalls um Bestellbestätigungen von amazon zu lesen und ab und zu irgendwelchen Plunder auf ebay zu versteigern. Das zeigen übrigens auch Internet-Nutzungs-Studien wie z.B. der Nonliner-Atlas von der Initiative D21 der zwar 76% der Deutschen als Online ausweist, wo in der Detailanalyse aber klar wird, dass man online ist wenn man mindestens einmal pro Woche seine emails checkt. Twitter hat 2.5 Mio Nutzer, wovon etwa 20% aktiv sind, also auch regelmässig tweets schreiben. Macht eine halbe Million. Klar, Facebook ca. 25 Millionen User in Deutschland, aber das ist vielleicht nochmal ein anderes Phänomen.
Jedenfalls leiden wir (also “Netzgemeinde”) definitiv unter einem Tunnelblick wenn wir von unserer Wahrnehmung des Internets auf die Restbevölkerung schliessen. Für die ist es ungefähr so dramatisch wie “Einkauf Aktuell wurde von Schadcode infiziert”.
Gegenprobe: Stellen wir uns vor die NSA hätte es hinbekommen in allen deutschen Haushalten, Bürogebäuden und in den Autos Mikrofone zu installieren und würde alles effizient mitschneiden. Ich glaube – nein ich hoffe natürlich dass wir dann wirklich einen Skandal hätten der in der breiten Bevölkerung auch als solcher wahrgenommen würde. Konnte man ja auch schön sehen, dass die NSA-Praktiken dann auf die politische Agenda kamen als ein paar Mikrofone in Büros in Brüssel gefunden wurden…
Das Interessante an der Gegenprobe ist übrigens auch mal sich die Konsequenzen auszumalen. Also wenn ich morgen einen Termin bei einem Kunden mache und dort unter dem Konferenztisch eine Wanze anbringe, oder bei einem Besuch im Bundestag, oder eben am Auto von irgendwem. Das würde nicht nur mehr aufregen sondern ich hätte nach Aufdeckung sicherlich schnell Polizei und Staatsanwaltschaft am Hals. Keiner würde sagen “och, da können wir doch nichts tun, die Wanze wurde ja nicht in Deutschland hergestellt”. Oder “da müssen wir erstmal unsere Bündnispartner konsultieren”. Das wäre ein Hardcore-Verstoss gegen diverse Gesetze und würde auch so geahndet.
Wenn das halbwegs stimmt so und die Digitalisierung weiter voranschreitet ist die NSA-Sache und die ausbleibende Empörung anders zu bewerten, nämlich als _noch_ ausbleibende Empörung. Sobald die Anzahl der Leute, die sagen würden das Internet sei integraler Bestandteil ihres Lebens eine signifikante Grösse erreicht, also z.B. in 5 Jahren würde die Lage vermutlich anders interpretiert. Nur dass es dann vielleicht einfach zu spät ist.

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