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Leutheusser-Schnarrenberger, die Piraten und die neue Macht der Netzgemeinde

May 20th, 2010 — 9:22am

Ich war vor zwei Tagen auf einem sehr netten und interessanten “politischen Abend” mit der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eingeladen. Über die fachlichen Aspekte davon habe ich an anderer Stelle schon berichtet – das lasse ich hier also mal weg.

Neben den fachlichen Themen und meiner generellen Bewunderung für diese Ministerin wegen Ihrer Gradlinigkeit fand ich eine Sequenz bemerkenswert, wo es kurz um die Bewertung der Piraten ging.

In einem Wortbeitrag sagte nämlich der ebenfalls geschätzte Tim Renner man sei ja etwas geschockt gewesen von dem 2% Wahlergebnis der Piraten bei den Wahlen. Da sagte Leutheusser-Schnarrenberger: “Was glauben Sie wie wir geschockt waren…”.

Im folgenden ging sie dann noch mehrfach darauf ein, wie sehr sie inzwischen die “Netzgemeinde” in Ihrem politischen Handeln ernstnehmen würden. Bzgl. der diskutierten Verschärfungen im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen (“Three Strikes”-Modell usw.) sagte sie z.B. es gäbe einen Teil der Fraktion, die der Meinung wären, das könne man vergessen wegen der zu erwartenden Reaktionen im Netz.

Über Netzsperren hat sie übrigens auch gesprochen. Nochmal klargemacht, dass Löschen die zu bevorzugende Strategie ist (dabei sagte sie Ihre Erfahrung wäre, dass das in der Regel “überraschend schnell und einfach” ginge). Offenbar war ein entsprechendes Löschgesetz auch schon weit vorbereitet, wird aber derzeit in der Koalition gebremst.

Wie auch immer – mich hat beeindruckt, mal eine Einschätzung zu den Piraten und generell dem Einfluss der Netzgemeinde aus erster Hand zu bekommen. Und obwohl mir klar war, dass die das alle auf dem Schirm haben, war ich überrascht von der Stärke des Einflusses den das offenbar hat – übrigens die “Netzgemeinde” offenbar noch deutlich mehr als bloss die Piraten.

Ich bin wirklich fasziniert, denn es scheint tatsächlich zu gelingen darüber eine neue Öffentlichkeit und einen starken Einfluss der Blogosphäre (im weiteren Sinne) auf die Politik herzustellen – das hätte ich so nicht gedacht.

Wäre natürlich schön, wenn wir auch beginnen würden das über eigene Themen wie Netzsperren usw. hinaus zu gestalten. Und ich glaube, die neue Macht sollte auch mit einem entsprechenden Bewusstsein einhergehen – denn das war auch bemerkenswert. Sie sagte nämlich, es sei sehr schwierig mit den Themen z.B. der Piraten umzugehen weil man mit denen auf Podien eigentlich ganz konstruktiv und nett sprechen könne, es aber dann oft sofort eine Art Zweitdiskussion in der Blogosphäre gebe auf die man weder Einfluss noch Zugriff habe (man könnte auch sagen das “Twitterwallproblem”).

Jetzt werdet Ihr natürlich sagen soll sie halt bloggen usw. – klar. Ich finde es aber wirklich einen nicht so einfach zu beantwortenden Punkt, nämlich letztlich die Frage wie sehr man sich der politischen Verantwortung stellt, und sich in die entsprechenden Debatten auch verantwortlich einklinkt – was offenbar mit einem Blogpost oder Kommentar nicht notwendigerweise gegeben ist.

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