Meine Karriere begann mit einem Faxgerät
Heute vor 98 Jahren wurde von Ernst Fredrik Werner Alexanderson das erste Fax verschickt.
Natürlich ist das im digital verweigernden Deutschland vor allem ein Grund Witze zu machen – schließlich steht diese Zwischen-Technologie wie wenig anderes für die digitale Verweigerung und das Festhalten am wenigstens noch ein bisschen Analogen bei uns.
Für mich persönlich allerdings war es tatsächlich der Eintritt in die Welt der Computer und der Selbständigkeit.
Denn ich habe mir mein Studium u.a. damit verdient Computer zusammenzuschrauben und zu verkaufen. Meine Bauteile bezog ich vor allem von einem kleinen griechisch-stämmigen Hinterhof-Händler (heute PC-Office Cologne mit neuem Inhaber).
Er hatte immer erstaunlich gute Preise und die Art von Ware, mit der man gute Geschäfte machen konnte, also relativ neue Technologie aber immer in der gut bezahlbaren Variante. War aber auch immer alles schnell weg, also musste man dranbleiben, wenn man gutes Zeug bekommen wollte.
Und nun – das Internet war noch nicht ganz so weit – die entscheidende Lebensader zu diesem Quell neuer Ware war ein Fax. Das verschickte er nämlich täglich zu einer bestimmten Zeit an eingetragene Händler. Das war die einzige Quelle wo man an diese Infos rankam, es war sozusagen sein Shop-Interface.
Und ich kann mich noch gut an dieses erschwingliche Thermo-Fax erinnern, das ich mir bei Saturn dafür geholt hatte (mit Vorsteuer-Abzug und so, auch das ein großes Gefühl der Selbständigkeit). Und wie es dann irgendwann immer beepte und anfing mit diesem entschlossenen ruckweisen Brummgeräusch meterweise (kein Witz!) die Angebote rauszurollen.
Ich habe es geliebt. Und ein paar ziemlich coole Rechner sind daraus entstanden, wenngleich ich für die Betriebs-Stabilität der griechischen Mother-Boards nicht immer vollständig die Hand ins Feuer gelegt hätte.
Und es gab noch andere Fax-Episoden, eine Zeitlang haben wir bei meinem Vater eines installiert gehabt um darüber in Kontakt zu bleiben, mein erster Nokia Communicator hatte eine…Fax-Funktion und ich weiß noch genau wie aufgeregt ich war, als ich ihm zum ersten mal von der Skipiste ein sinnloses Fax geschickt habe.
Auch jetzt hat mein Home-Office übrigens noch ein Fax, ab und an brauchen wir das. Hängt an einer Spezial-Dose von Cisco die übers den IP einen analogen Telefon-Anschluss emuliert.
Ach, Nachklapp – liest sich natürlich alles wie ein Abgesang auf eine vergangene Technologie. Aber ihr könnt Euch nicht vorstellen was los ist, wenn in der Praxis meiner Frau das Fax nicht geht, das ist da kritische Infrastruktur! Das ganze Gesundheitswesen in Deutschland hängt im Prinzip noch am Fax. Und sicher noch zahlreiche andere Bereiche, Logistik, Behörden. Zu Beginn der Pandemie saßen im Kölner Gesundheitsamt Heerscharen von Leuten, die eingehende Faxe abtippen mussten in Eingabemasken des Sormas-Systems. Grund: Labore durften PCR-Ergebnisse nur als Fax schicken, alles andere galt als nicht sicher genug. Das ist 2 Jahre her und ohne Pandemie wäre das auch noch immer so.
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June 5th, 2022 at 2:38 pm
Also ein Fall für die Vorwarnliste? http://www.slow-media.net/rote-liste-der-bedrohten-medien
June 6th, 2022 at 7:58 am
Nicht nur das Gesundheitswesen, auch die Juristerei. Wer sichergehen will, fristwahrend etwas bei Gericht einzureichen und nicht über ein beA verfügt, schickt ein Fax. Das wird auch von den Geschäftsstellen der Gerichte (die dortigen Sekretariate nennen sich so) empfohlen. Mails sind jedenfalls keine gute Idee, Briefe brauchen gern mal 2 Wochen. Ein Trauerspiel.