Ein paar Gedanken zu Lobbyplag

Mit ziemlicher Aufregung wurde vor einigen Tagen die Plattform Lobbyplag an die Öffentlichkeit gebracht und legte gleich mal offen, dass in der aktuellen Diskussion um die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU teilweise von Lobbyisten-Papieren abgeschrieben wurde. Nach ein paar Tagen kam ein Update und es wurde auch dargelegt, dass ebenso von Verbraucherschutz-Organisationen abgeschrieben wurde.
Jetzt ist natürlich leicht, abgebrüht zu sagen, oh, surprise! Und tatsächlich steckt in der Aufregung ein bisschen Naivität drin. Aber nur ein bisschen – denn wie der Lobbyismus Gesetzgebung beeinflusst sollte permanent kritische Aufmerksamkeit bekommen. Sagt der Lobbyist.
Aber nochmal zum Kern – es wurden also Anmerkungen und Änderungswünsche von Parlamentariern zum Gesetzentwurf formuliert, in denen teilweise 1:1 Formulierungen von Lobbyisten eingegangen sind. Ist das wirklich so schlimm und überraschend? Lobbyismus ist ja in vielen Fällen eine gewollte und im aktuellen System auch notwendige Funktion im Prozess – deshalb laden selbst nicht industrienahe Politiker wie der Grüne Jan-Philipp-Albrecht umfänglich Lobby-Vertreter zu öffentlichen Hearings, Roundtables etc. ein – und auch in Ihre Büros. Die Aufgabe der Lobbyisten ist es dabei die Stimme derer, die sie vertreten möglichst strukturiert und mit guten Argumenten versehen vorzubringen, und idealerweise dafür zu sorgen, dass sie mit einigen ihrer Punkte gehört werden. In solchen Dialogen fallen übrigens durchaus – von Politikerseite – Formulierungen wie „wie hätten sie es denn gern?“ (nein, nicht bei Albrecht ;-)). Schriftliche, detaillierte Paper, Stellungnahmen und Kommentare werden eingefordert und geliefert. Übrigens – von allen einigermassen professionell lobbyierenden Organisationen, und meine Erfahrung hat gezeigt, dass in dem aktuellen Prozess Verbraucherorganisationen (wie z.B. Which, EDRi, BeuC etc.) teilweise besser organisiert und mit mehr Personal vor Ort auftreten als manche Wirtschaftsverbände. Und die vermutlich best-organisierte Partei mit eigener EU-Website, regelmässigen Verlautbarungen (‚opinions’), diversen Vertreter/innen auf nationalen und internationalen Gremien und erheblichen Backend-Ressourcen ist nach meiner Wahrnehmung in diesem Fall die Vereinigung der europäischen Datenschützer, die sog. ‚Article 29 working party’. Ach, und natürlich eine Reihe von US-Unternehmen, die offenbar ein generell anderes Verhältnis zum Thema Lobbyismus haben und dafür problemlos so viel Budget zur Verfügung stellen wie andere für ihre Gesamt-Marketing-Aktivitäten ausgeben würden – die sind natürlich auch meist mit exzellenten Leuten vor Ort vertreten.
Ok, aber zurück zum Prozess. Es findet also dieser Dialog statt (der übrigens auch sehr harsch und unfreundlich ablaufen kann) und es werden Papiere ausgetauscht. Meistens werden dafür auf Seite der Lobbyisten professionelle Juristen oder gar Kanzleien beschäftigt, um die Formulierungsvorschläge perfekt zu Papier zu bringen und möglichst kompatibel zum Gesetztesentwurf zu machen.
Wenn jetzt also ein Politiker sagt ah, ok, das ist ein Aspekt den wir vll. wirklich besser im Gesetz berücksichtigen sollten und bekommt dazu eine Forumlierung vorgelegt – warum sollte er dann eigentlich nicht Passagen davon, die er für unterstützenswert hält in seine Vorschläge aufnehmen? Er schreibt ja keine Doktorarbeit und sollte sich Mühe machen das als irgendwie eigene Leistung umzuformulieren – wohlgemerkt, ich spreche von dem Fall, wo es eine Auseinandersetzung gab zu dem Thema (üblicherweise finden ja zig Gespräche statt vorher) und man irgendwann zum Schluss kommt, ja, das sollten wir so einbauen (anders als z.B. der Fall der Piratin Amelia Andersdotter, die einfach komplett übernommen hat, was EDRi forderte). Ich würde soweit gehen zu sagen, dass eine copy&paste Übernahme in diesem Fall sogar transparenter ist als eine bemühte Umformulierung die die Herkunft verschleiern würde.
Zumal – das wird auch gern übersehen – die Eingaben ja nur solches sind: Eingaben. Änderungsvorschläge. Viele davon politisch motiviert (sic!), d.h. z.b. um Positionen auszuloten.
Was am Ende nach einem komplizierten Verhandlungs- und Formulierungsprozess im Gesetz landet steht auf einem ganz anderen Blatt.

Man sollte sich also bisschen weniger aufregen deshalb – ALLERDINGS: Was die Macher von Lobbyplag gemacht haben könnte ein absolut wegweisender Schritt in Richtung Transparenz des politischen Prozesses im digitalen Zeitalter sein. Denn warum sollte man das nicht zu einem Standard-Verfahren machen, also alle Eingaben an die Gesetzgebung dokumentieren und dann in derartigen Plattformen den Gesetzgebungsprozess transparent machen. Am besten noch mit der Möglichkeit der Kommentierung durch die Textautoren, also vor allem durch die Gesetz-Verfasser.
Die EU-Kommission könnte so ein Projekt unterstützen und dafür sorgen, dass die Lobby-Verbände das gleiche tun. Vielleicht gäbe es ja sogar eine Möglichkeit, das später gesetztlich zu verankern.
Ich glaube das Vertrauen in den politischen Prozess insbs. im fernen Brüssel könnte gigantisch davon profitieren – allerdings in einem ganz anderen Sinn als es vermutlich von den Lobbyplag-Machern anfangs gedacht war, nämlich als Stärkung des Verfahrens und Möglichkeit für den Bürger Dinge nachzuvollziehen, nachzufragen und zu verstehen.
Könnte…zum einen ist natürlich die Frage, ob das von irgendeiner Seite überhaupt gewollt würde – schliesslich sind die Gruppen der Verbraucher-Seite meist ähnlich intransparent mit Ihren Eingaben wie die der Industrie. Zum anderen bin ich mir nicht ganz sicher mit dieser Transparenz-Geschichte, ob das wirklich funktionieren würde oder ob das nicht so eine Art Maschinentraum ist, eine zu mechanische Aufklärungs-Sicht die die Bedeutung von Vertrauen, Kommunikation usw. unterschätzt. Aber vielleicht wäre es einen Versuch wert.

Category: Netzpolitik 5 comments »

5 Responses to “Ein paar Gedanken zu Lobbyplag”

  1. Falko

    Ja, genau das gleiche habe ich mir auch gedacht. Eigentlich kann ich hier gar keinen Skandal sehen bzw. ist die Suggestion “Plagiat” hier völlig falsch. Die Dokumentation der jeweiligen Anteile der verschiedenen “Ideengeber” und deren Herkunft wäre in der Tat sehr wünschenswert. Also eher soetwas in der Richtung vom Bundesgit (https://github.com/bundestag/gesetze)

  2. marco

    danke für den artikel, der sich mit meinen gedanken zum ganzen komplex ziemlich genau deckt.

    ich habe keine ahnung, warum wir in diskussionen von einigen in die ecke netzaktivisten gesteckt werden, die gegen die bösen lobby, gegen die bösen politiker oder gegen europa seien… wir sind journalisten, die eine recherche gemacht haben und uns für mehr transparenz einsetzen. du – und viele andere, die uns in die schublade “aktivisten” stecken unterschätzen, was wir mit diesem tool wirklich erreichen wollen.

    ich sage in jedem interview, dass ich lobbyarbeit nicht verteufle, und sie auch als notwendigen bestandteil eines demokratischen prozesses sehe – ich will das nur transparent dokumentiert haben.

    und ganz offensichtlich gibt es hier einen aufklärungsbedarf, sonst hätten wir mit der seite nicht so ein aufsehen erregt. interessanterweise gibt es auf seiten der politiker und der lobbyisten auch ein unrechtsbewusstsein, inzwischen steht unter mails, in denen politikern änderungsempfehlungen zugeschickt werden, sätze wie: “bitte machen sie kein copy-paste mit diesen texten, sie dienen nur zur verdeutlichung” und auch abgeordnete bekunden hier mangelnde transparenz.

    ich glaube auch, dass transparenz an einigen stellen mitunter eher hinderlich sein kann (anders als viele open-data-enthusiasten), aber ich sehe keine nachteile darin, entstehungsprozesse nachvollziehbar (wie von dir oben geschildert) zu dokumentieren.

    über den begriff des “plags” haben wir übrigens vor dem start auch diskutiert, ghostwriting hätte es eher getroffen – wir haben aber uns aber mehrheitlich dazu entschlossen, die plag-metapher zu nutzen, weil gerade in deutschland das bild für leser klarer wird, und jeder im kern begreift, worum es geht. hintergedanke dabei war auch: wenn jemand in 3 sekunden dieses bild versteht, ist er eher bereit, sich mit so etwas komplexem wie der eu-gesetzgebung auseinanderzusetzen.

    (falls du ne antwort schreibst, sag mir gern auf twitter unter @themaastrix bescheid, gibt hier keine möglichkeit, den kommentaren zu folgen…)

  3. holadiho

    Du hast recht – so genau kenne ich ja Eure Motive hinter Lobbyplag gar nicht. Aber Eure (nachvollziehbare) Namenswahl ist halt auch leicht irreführend diesbzgl. – wenn es wirklich vor allem die Idee ist den Prozess transparent zu machen umso besser.

  4. Lars Brücher

    Wir haben gestern mit Marco auf der Social Media Week ja auch schon dazu diskutiert und ich hatte dort gesagt, dass das Projekt natürlich auch deswegen so durch die Presse ging, weil man in der vereinfachenden Pressedarstellung damit (sicherlich ungewollt von den Machern) die üblichen Ressentiments sowohl gegen Politiker als auch gegen die böse EU pflegen kann. Ein bisschen schade, weil der Kern des Projektes, Dinge einfach nur ohne Vorwurf transparent machen zu wollen, etwas untergeht. Und holidiho hat sicherlich recht, dass unter Berücksichtigung dieser Tatsache der name vielleicht etwas unglücklich (und inhaltlich auch unpassend da hier kopieren erwünscht ist) gewählt ist.

  5. Jürgen

    Follow the money – nicht den Worten.

    Beraterverträge, Vortragserstattungen und wie in den USA extrem schnelle Drehtüren zwischen Politikerrolle und Lobbyjob zeigen mehr über Verpflechtungen als jede Textanalyse.

    Ich glaube, dass die Mehrheit nicht dauernd beim Wurstmachen zuschauen will – solange es schmeckt – und nur bei Aufregern – analog zur aktuellen Pferdiggerichtdiskussion – der Scheinwerfer kurz angeht.


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