Category: Politik


Braintime

June 20th, 2014 — 2:07pm

Ich wäre gerne 10kg leichter. Könnten auch 15 sein. Das wäre ich gerne seit ca. 20 Jahren, könnten auch 25 sein. Damals hatte ich mit dem Rauchen aufgehört und mir die zusätzlichen Kilos angefressen. Seitdem ist das ein beherrschendes Thema, wenn auch häufig nur so unterschwellig. Meine Grossmutter z.B. pflegte in ihren letzten Jahren grundsätzlich zu sagen, wenn sie mich sah „Du bisch aber dick gworde“. Übrigens unabhängig davon, ob das wirklich der Fall war – also wenn ich im Kopf errechnete wann ich sie zuletzt gesehen hatte, und welche Gewichtsdifferenz in dem Zeitraum zu verzeichnen war. Denn das wusste ich immer relativ genau – ein Subprozess im Hirn führte ständig Buch und kannte das ungefähre Gewicht 12 Monate zurück oder 2 Jahre oder zum Zeitpunkt des Abiturs oder des letzten Klassentreffens oder 4 Jahre zurück als ich meinen Ex-Chef zum letzten mal sah, als er auch statt erstmal ‚Hallo’ sagte ich sei ja ganz schön dick geworden. Meine Freunde beschäftigen sich auch viel mit dem Thema, das weiß ich, also dieser ganze „oh, er hat ja abgenommen, läuft er wieder?“ oder „oh, er hat ja wieder ganz schön zugelegt, läuft er nicht mehr?“ Komplex. Mir tun sie manchmal leid, weil sie ja auch komplett Buch führen müssen in ihren Köpfen für diese Betrachtungen.
Ich habe übrigens nicht viel Diät-Erfahrung, ist mir zu blöd. Aber natürlich habe ich – heimlich oft – zahllose Artikel und Studienergebnisse und „Fett vermeiden!“, „Kohlenhydrate vermeiden!!“, „neue Studien belegen: Kohlenhydrate sind gut!“ und „die Mittelmeer-Diät, warum Öl so wichtig ist“ Artikel in mich reingefressen und weiss also bei jedem Lebensmittel grob Bescheid, was es bedeutet und wie schwarz es meine Bilanz an diesem Tag mal wieder macht. Natürlich habe ich mich auch quantified, habe runtastische Aktivitäten gestartet und um Anfeuerung in sozialen Netzwerken gebeten, habe meine Wage ins Netz gehängt und lasse mich per App über den Verlauf informieren. Blutdruck habe ich auch, unnötig zu erwähnen, inkl. App übrigens.

Und dann – jetzt, zum Sommeranfang z.B. wenn man mit Angstschweiß an den Schrank geht um den Stapel unten mit den kurzen Hosen rauszuholen gibt es wieder diesen anderen Moment, nach tagelang aufgestautem Schuldgefühl, weil man ja bestimmt wieder fetter geworden ist (und die Wage gerade einfach mal meidet) – da passen einfach alle Hosen aus dem letzten Jahr noch. Hm? Und die Jeans die man für die Gartenarbeit anzieht, passt auch noch (ok, bisschen zwickig), aber die hat man vor 5 Jahren gekauft.

In diesen Momenten denke ich, was ein fuck! Was beschäftige ich mich eigentlich tagaus, tagein mit diesem total blödsinnigen Thema, nur um dann festzustellen, dass es eigentlich nur eine Sinuskurve mit 5kg rauf oder runter ist die ich halt mal mit maximalem Sport- und Essensterror runterdrücke oder eben mit Schuldgefühlen und Wagenvermeidungsterror hochlaufen lasse. Und wieviel Braintime bitte geht dafür drauf, mit Nachdenken über Essen oder nicht Essen, Schuldgefühlen, Apps ablesen, Freunde nicht besuchen weil sie einen zuletzt beim unteren Punkt in der Sinuskurve gesehen haben, dämliche Studien lesen usw. – das ist wirklich ein grandioses Hirn-Beschäftigungsprogramm. Nicht nur für mich – für all die anderen die immer schön mit-messen ja auch. Zumal man bei den anderen vermuten kann, dass ihre Aufmerksamkeit für das Thema auch nicht aus Sorge um meinen Zustand, sondern viel mehr aus eigener krankhafter Aufmerksamkeit für das Thema gespeist wird – die werden also bestimmt nicht nur meinen Zustand im Monitoring haben sondern ihren eigenen genauso und noch den von zig anderen Freunden, dem Partner, den Kindern. Auf das bloß alle nicht zu dick werden, GOTT BEHÜTE! Und was ist bitte eigentlich so weltbewegend toll daran 5kg weniger zu wiegen, was genau ist dann eigentlich besser, also in Syrien z.B., oder was die Verschmutzung der Meere anbelangt, oder in der Liebe – wieviel anders bläst der Wind in den Wipfeln wenn wir leichter sind als letzte Woche?

Wie wäre es wenn wir diese Braintime für andere Dinge einsetzten, also z.B. für mehr Gerechtigkeit, bessere Bedingungen für alleinerziehende Mütter, Abschaffung von Frontex, selbstbestimmteres Leben im Alter, Weltfrieden, autofreie Siedlungen, neue Energieversorgungskonzepte, Politik! Mit all der verschleuderten Braintime könnten wir vermutlich alle locker in eine Partei eintreten und mit links diverse Ortsversammlungen mitmachen und Papiere verfassen und dabei noch ein Instrument erlernen und Gedichte verfassen. Und dabei unbemerkt mal ein bisschen mehr und mal ein bisschen weniger wiegen.
Und wenn Freund aufeinandertreffen könnte man sagen – was, Du bist jetzt auch in eine Partei eingetreten, cool! Oder: Wow, Du hast viel über neue Konzepte in der Energieversorgung nachgedacht, das sieht man.

Anders gefragt – wenn man ein Programm aufsetzen wollte, um eine Gesellschaft möglichst kollektiv ruhigzustellen und mit Schuldgefühlen auszustatten und dabei am besten auch noch den Konsum anzukurbeln, was würde man wohl tun?

Ich hab es jedenfalls satt (sic!). Ich will nicht mehr darüber nachdenken und auch nicht mehr darauf angesprochen werden. Und wenn ich die freiwerdende Zeit mit der Betrachtung von Wolkenformationen beim Vorbeifahren an Bielefeld verbrächte, es wäre besser investiert.

Graue, tiefhängende Wolken mit hier und dort weißen Auftürmungen in Bodennähe. Irgendetwas scheint sich da oben zu spiegeln von der Landschaft, in dem in sich verwobenen dichten Wolkenteppich.

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Das Recht auf Vergessen

May 13th, 2014 — 11:16pm

Der europäische Gerichtshof hat also Google auferlegt, ein paar Links zu entfernen. Links auf einen Fall eines spanischen Mannes, der seine finanziellen Probleme aus der Vergangenheit nicht mehr in der Öffentlichkeit haben möchte. Und was ist los? Hell freezes over! Zensur wird eingeführt! Jimmy Wales äussert sich im Atlantic tief besorgt über dieses Urteil und wie sehr es das Internet verändern könnte – ausserdem sagt er, er habe so ein Urteil eigentlich eher von einem autoritären Land erwartet…
Die deutsche Szene tobt ebenso – ein Angriff auf Google (moment, habe ich ‚Angriff’ gesagt?) wird immer noch gern gleichgesetzt mit einem Angriff auf das Web an sich usw. – und ja, auch ich habe nach den Erfahrungen der letzten Jahre Sorge, dass durch irgendeine Hintertür Zensurmechanismen eingeführt werden (im Prinzip passiert es ja auch am laufenden Band – ein neuer ‚Kodex’ des Zentralverbandes der Werbeindustrie wurde z.B. gerade still und leise eingeführt mit dem Ziel illegale Seiten ‚auszutrocknen’…).
Aber eine Sache an der Diskussion stört mich gewaltig – und übrigens ist es mir noch klarer geworden beim Lesen des Atlantic-Beitrages, weil der Autor immer wieder betont, wie schade es doch jetzt sei, dass durch dieses Urteil die finanziellen Probleme dieses Mannes gerade in der Öffentlichkeit seien, echt ärgerlich…
Also, was mich stört, ist die Ungnade gegenüber diesem Mann und seinem legitimen Anliegen, das er vorbringt stellvertretend für Millionen von Menschen, die mal ein Problem hatten und nach einer bestimmten Zeit neu anfangen wollen. Und übrigens ein Anliegen, das in unserem Rechtssystem durch das hohe Recht der informationellen Selbstbestimmung geschützt ist. Aber lasst es uns mal für einen Moment ohne das Web diskutieren – nehmen wir z.B. die Schufa. Wer schonmal erlebt hat, was es bedeutet einen Schufa-Eintrag zu haben oder jemanden kennt, dem das passiert ist weiß, dass es die Hölle ist. Man bekommt keinen Mietvertrag mehr, keinen Kredit, kein Handy, nur mit Schwierigkeiten ein Girokonto und zahlreiche andere Dinge nicht. Die Schufa wurde gezwungen, die Daten nach einer bestimmten Zeit aus ihren Registern zu löschen – übrigens ein Prinzip das unsere Gesellschaft an zahlreichen anderen Stellen ebenfalls kennt, seien es Punkte in Flensburg, Vorstrafen, Überschuldung usw. usf. Es hat etwas mit Gnade zu tun und auch mit Solidarität und natürlich Menschlichkeit. Etwa ein Viertel aller Gefangenen auf der Welt sitzen in den USA im Gefängnis, teils wegen kleiner Vergehen (mehrfach begangen) – dieses Land ist für mich auch was das anbelangt keine Referenz. Das vielzitierte „Recht auf Vergessen“ ist ein schwieriges Konzept, vielfach zu Recht verlacht z.B. wegen seiner technischen Naivität. Vielleicht brauchen wir ein anderes Konzept oder einen anderen Namen dafür. Aber ich möchte tatsächlich, dass das zutiefst menschliche Prinzip das wir gegenüber der Schufa einfordern, auch für unser heiliges Internet gelten soll. Und natürlich muss das gegen andere Rechte abgewogen werden damit keine Zensur entsteht – das ist aber nichts Neues und liegt eher im Wesen eines funktionierenden Rechtsstaates.
In dem aktuellen Fall jedenfalls habe ich viel mehr die Sorge, dass wir uns vor den Karren einer geschickt agierenden neoliberalen Ideologie spannen lassen, die sich ein System wünscht, das kein Vergessen kennt und Vergehen ohne Gnade bis ans Lebensende vorhält – u.a. auch um sie schön in irgendwelchen Risiko-Kalkulationen von Versicherungen, Banken und sonstigen Big-Data Apologeten einfliessen zu lassen.

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Braucht die NSA einfach einen Datenschutzbeauftragten?

February 13th, 2014 — 10:40am

Irgendetwas an der Monstrosität der NSA-Geschichte missfällt mir. Vielleicht einfach, weil es direkt in Ohnmacht mündet. Wir sind aber auch anfällig für diese Art von Faulheit in der Analyse und Arbeit an Gegenentwürfen – vermutlich auch ein Grund, warum sich die Kritik immer um die fernste Instanz dreht anstatt genauer beim britischen Dienst GCHQ hinzuschauen oder halt einfach beim BND und Verfassungsschutz. Fuck the NSA, aber sowas von.
Dann hat Sascha Lobo in seinem letzten rp-talk ja zu recht darauf hingewiesen, dass wir unsere Diskursfähigkeit ausbauen müssen wenn wir ernstgenommen werden wollen. Also z.B. die Legitimität von Überwachung und Geheimdiensten diskutieren um eine bessere, kampftauglichere Grenze ziehen zu können und mit mehr Menschen in Dialog zu kommen. Gefällt mir auch nicht, Geheimdienste abschaffen ist so ein viel schöneres Ziel. Aber muss wohl.
Und dann saß ich gestern mit der neu gewählten Präsidentin des Center for Democracy and Technology in Washington zusammen auf einem Podium in Brüssel. Das CDT ist als pragmatischer Think-Tank bekannt und kämpft für den Erhalt eines offenen Internet – einer der Gründer gehört zu den frühen Mitgliedern der EFF. Vor dem Panel stellte sich die CDT-Präsidenten Nuala O’Connor den Fragen des Moderators. O’Connor war Chef-Datenschutzbeauftragte bei amazon, General Electric und Doubleclick, hat aber auch mehrere Jahre in der US-Administration gearbeitet, und zwar im Homeland Ministerium. Auf die (natürlich süffisant gemeinte) Frage, was sie aus dieser speziellen Erfahrung auf die aktuelle NSA-Affäre ableiten könne, sagte sie sinngemäss: Der Unterschied zwischen Homeland und der NSA bestehe darin, dass die NSA nie eine Datenschutz-Policy festgelegt und befolgt hätte. Bei Homeland Security, wo nach 09/11 aus diversen Behörden Leute zusammengezogen wurden um ähnliche Anschläge in Zukunft zu vermeiden sei dies anders gewesen. Ihr Chef habe damals (und bis heute) immer gesagt – ‚wir kämpfen für die Freiheit der Bürger dieses Landes – und ein Eingriff in deren bürgerliche Freiheiten wiegt am Ende ähnlich schwer wie ein Angriff eines Terroristen’. Deshalb seien die Arbeitsprinzipien der Behörde grundsätzlich an diesen beiden Polen ausgerichtet worden – konkret über eine tief verankerte Privacy-Policy die dem privacy-by-design Prinzip folgte. Sie halte die NSA-Praxis für illegitim, aber auch ineffizient und schlecht umgesetzt – weil viel mehr überwacht würde als für die gegebenen Ziele technisch nötig wäre. Tatsächlich hat übrigens die NSA zu Jahresbeginn mit Rebecca Richards eine Datenschutz-Beauftragte installiert – die zuvor bei Homeland gearbeitet hat…
Natürlich wäre jetzt nichts leichter als das mit einem hämischen Grinsen wegzuwischen und ich habe schon die entsprechenden Kommentare unten vor Augen.
Ich weiss aber nicht, ob wir uns einen Gefallen tun mit dieser Haltung. Zum einen stammt die Äusserung von der CDT-Präsidentin – also einer scharfen Kritikerin der NSA-Aktivitäten und Chefin des einflussreichsten digitalen Think-Tanks in Washington. Zum anderen aber steckt in ihrer Einschätzung etwas, was man als Demokrat und dem Gebot Sascha Lobos Folgender einfach nicht larmoyant wegwischen kann, nämlich der Glaube, dass selbst soetwas wie NSA letztlich mit Mitteln der Zivilgesellschaft und des demokratischen Staates in den Griff zu bekommen ist (zu bekommen sein muss). Sicherlich ist es unendlich viel schwieriger, zu überlegen wie man über eine harte Datenschutz- und Beaufsichtigungspolitik (parlamentarische Kontrolle) Geheimdienste an die Leine nehmen könnte. Und wie Gesetze (z.B. der Anti-Fisa-Paragraph 42 (!) in der aktuellen EU-Datenschutz-Grundverordnung) gefasst und verschärft werden müssten um in Zukunft Massenüberwachung zu verhindern. Dennoch steckt darin für mich mehr Hoffnungsschimmer auf eine NSA-freie Zukunft als in jeder Abschaffungs- und Anti-USA Debatte. Übrigens auch, weil es sonst schnell in eine faktische eine Anti-Demokratie-Debatte münden kann, z.b. wenn man einfach alles auf den Bürger abwälzt (Verschlüsselung!!). Aber kann es wirklich sein, dass die Massenüberwachung letztlich auf eine schlampige (bzw. nicht vorhandenen) Privacy-Policy zurückzuführen ist?

So, und jetzt schüttet bitte Eure Häme-Kübel unten aus.

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UK: National Health-Service kündigt grossangelegte Open-Data Initiative an

November 15th, 2013 — 8:49am

Nach meinem letzten Artikel zu Daten im Gesundheitssystem war es schon etwas strange den Vortrag von Tim Kelsey, National Director of Patients and Information der NHS in London auf der Strata zu hören. Denn die NHS (übrigens die fünftgrösste Organisation der Welt) plant etwas ziemlich revolutionäres mit Ihren Daten, also Verschreibungs-Daten usw. aus den Krankenhäusern und von den Arztpraxen – diese sollen nämlich ab Sommer nächsten Jahres als Open-Data der Community zur Verfügung gestellt werden:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=s8HCbXsC4z8[/youtube]
Das ist schon mal an sich bemerkenswert, übrigens auch wenn man im Hinterkopf hat welche “Erfolge” im Hinblick auf De-Anonymisierung von vermeintlich sicher anonymisierten Datensätzen in der letzten Zeit hier und dort zu vermelden waren…
Bemerkenswert war aber vor allem auch die Begründung hinter der Initiative. Kelley sagte in dem Vortrag es würde sich im NHS – wie in den meisten Gesundheits-Diensten der entwickelten Staaten – in den nächsten Jahren eine gigantische Finanzierungslücke auftun die mit Einsparungen und Beitrags-Steigerungen einfach nicht geschlossen werden könne. Die Lücke entsteht vor allem durch zwei Faktoren, zum einen demographische Effekte und zum anderen die immer kostspieligere (aber auch immer leistungsfähigere) Medizin.
However – Kelley sagte die einzige Idee wie man das in den Griff bekommen könnte (ohne Leistungen einzuschränken o.ä.) wäre zwei Gruppen in die Problemlösung einzubeziehen die bisher nicht inkludiert sind: Patienten und die Community.
Patienten in der Gestalt, dass sie weitgehenden Zugriff auf ihren Health-Record bekommen sollen, inkl. der Möglichkeit darauf eigene Analysen zu machen, diese Daten mit anderen aus Eigen-Messungen zu kombinieren usw. Und die Community in dem Sinn, dass über die Open-Data Schnittstelle ein Ökosystem von Gesundheitsapplikationen entstehen soll das der NHS alleine nicht auf die Beine gestellt bekäme. Dazu soll es sogar einen Fond zur Finanzierung von Startups geben. Kelley sieht in der Etablierung einer solchen Open-Data Infrastruktur einen erheblichen ökonomischen Anreiz und Innovationshebel um im internationalen Wettbewerb besser dazustehen und gute Leute anzuziehen.
Das ist alles an sich schon bemerkenswert und für jeden die/der sich mit Daten auseinandersetzt eine faszinierende Ankündigung.
Vor allem aber ist es auch irgendwie beschämend, wenn man es sich aus deutscher Perspektive ansieht, bzw. wenn man sich mal vorstellt wie so eine Diskussion bei uns laufen würde. Vielleicht ist es wirklich nicht zu groß gesprochen wenn man sagt, dass derartige Initiativen für die IT-Infrastruktur eines Landes (in einem weiteren Sinne, also inkl. Open-Data etc.) darüber entscheiden könnten, wie man in 5 oder 10 Jahren im internationalen Vergleich als Volkswirtschaft insgesamt aussieht. Und in diesem Sinne viele Grüsse an die Koalitionsverhandlungen!

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Warum ich am 22.9. SPD wählen werde

September 6th, 2013 — 8:25am

Muss ja auch noch erläutern, warum ich am 22.9. SPD wählen werde. Eigentlich hatte ich folgendes vor: Leicht lässig mit Statement, dass ich am 22.9. SPD wählen werde und das ja noch darlegen muss starten. Dann Angst schildern, dass ich meine Stimme mal wieder einer Partei gebe, die danach mehr Unheil anstiftet als Gutes macht, also z.B. im Bereich der Netzpolitik. Dann schildern warum alles nicht so einfach ist und es immer noch die bessere Wahl ist. Auch und vor allem wegen der Grundwerte, für die diese Partei seit so langer Zeit steht – übrigens nicht nur, weil ihr nix besseres einfällt, sondern weil die meisten Mitglieder das wirklich irgendwie im Herzen tragen, selbst die mit Privatversicherung. Dann noch was einfügen über das Ringen, das ich so authentisch und gut, zugleich aber schwer und nicht leicht zu verkaufen finde (fragt mal @jensbest). Also das Ringen mit Sozialreformen und den Fehlern bei Hartz-IV. Mit der Rente. Mit Kriegseinsätzen. Mit fucking Sicherheitsgesetzen und dem generellen Schily-Desaster. Mit sich. Aber eben ein Ringen, das mir irgendwie am Ende Respekt abnötigt, wo ich das Gefühl habe, das hat etwas mit aufrichtigem Bemühen um die Wirklichkeit und deren Gestaltung zum Besseren zu tun. Und weil es ein Ringen um die ganze Gesellschaft ist, also auch um die ohne iPhone. Natürlich zwischendrin unbedingt Bemerkungen über @pausanias einfügen als ultimativen Beweis, dass die Diskussion eh nicht zielführend ist weil das einfach gewählt werden muss. Vielleicht noch mehr aufzählen für bis dato immer noch Unentschlossene, @baranek z.B. (dem ich sofort die Alleinherrschaft anvertrauen würde), natürlich Richel, Lumma, Tessa, Valentina, @miinaa, @horax, @ReichelS und von der Schickeria Böhning, Klingbeil ach, die Liste könnte noch so viel länger werden.

Aber dann kam es ja ganz anders. Und zwar so:

Dieses Foto ist bei der konstituierenden Sitzung des Landesrates für Digitale Entwicklung und Kultur entstanden, den die Ministerpräsidentin Malu Dreyer einberufen hat und der von Valentina Kerst geleitet wird (und der übrigens zu mehr als 50% aus Frauen besteht, zumindest bei der Sitzung). Zwar keine SPD-Veranstaltung, aber irgendwie dann doch. Auf jeden Fall eine total nette, kompetente Gruppe von Leuten die mit dem Netz Partizipation und Mitbestimmung, neue Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung, sozialere Arbeitsbedingungen und weitere positive Sachen verbinden. Und die etwa 50% der Zeit aus tiefer Sorge und Empörung getragen #prism und die Konsequenzen diskutiert haben. Einberufen von einer Ministerpräsidentin, der die Herzen zufliegen weil sie es ernst meint mit der Politik, zuhören kann und allen Promi-Popanz weglässt für die Sache.

Warum das alles geändert hat? Ich habe mir das Bild angesehen und dachte: Ich will einfach, dass dieses Land von solchen Menschen regiert wird.

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Was Gabriel nicht gesagt hat

July 2nd, 2013 — 8:33pm

Heute hat Sigmar Gabriel in einem Artikel in der FAZ auf die Snowden/Prism/Tempora Affäre reagiert. Da war ich erstmal guter Dinge, weil endlich mal ein hochrangiger Politiker zu dem Thema Stellung zu beziehen und das Ausmaß des Problems ernst zu nehmen schien.
Aber zwei Dinge haben meiner Ansicht nach daraus einen veritablen Rohrkrepierer werden lassen. Zum einen der unsägliche Vergleich von Prism mit Online-Werbung und deren Datensammlerei. Ich will die Industrie gar nicht verteidigen, aber der Vergleich ist einfach unerträglich falsch und vor allem verharmlosend. Geht es hier um Standards für Datenschutz und Trackingeinstellungen für die Aussteuerung von Banner-Werbung, müssen wir bei Prism und Co von massiven staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre der User ausgehen, die in keinster Weise legitimiert sind und in intimste Sphären der Kommunikation vordringen. Auch wenn es Wahlkampf ist, diese Unterscheidung muss man erwarten wenn sich jemand ernsthaft mit dem Prism-Problem auseinandersetzen will.
Aber es gibt noch einen wichtigeren Punkt den man hätte machen müssen, wenn es ein ernsthafter Beitrag, eine wirkliche Kritik am Handeln der Geheimdienste hätte sein sollen. Und natürlich wenn man es als Bekenntnis eines Parteivorsitzenden ernstnehmen sollte mit solchen Dingen Schluss zu machen, sobald man an die Regierung kommt.
Ich hätte mir gewünscht, Gabriel hätte sich mit den Wurzeln des Problems in der eigenen Partei auseinandergesetzt, die vor allem aus der Schily-Zeit stammen. Ein “wir selbst haben daran mitgewirkt und müssen heute erkennen, dass wir mit den damaligen Initiativen zu weit gegangen sind” hätte dem Artikel gut zu Gesicht gestanden Herr Gabriel. So kann man sich des Eindrucks der Wahlpropaganda nicht ganz erwehren – selbst für den Fall, dass die Empörung eine ernstgemeinte ist.

Ach und noch eine Anmerkung, weil ja gerne auf die aktuell diskutierte Datenschutzverordnung der EU verwiesen wird in dem Fall – das Handeln staatlicher Sicherheitsbehörden ist explizit von dieser Verordnung ausgenommen worden und soll in einer speziellen Direktive geregelt werden (die den Staaten viel mehr Handlungsspielraum für eigene Anpassungen lässt). Wer also den Eindruck erweckt mit einer harten Verordnung würden man den Geheimdiensten das Leben schwer machen erzählt schlicht die Unwahrheit.

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Iron Rilke

July 2nd, 2013 — 4:05am

Diese Ironblogger-Sache macht mich wahnsinnig – meine Frau wollte mich schon abmelden weil sie unseren finanziellen Ruin fürchtete. Auf der anderen Seite habe ich mich vor allem wegen des Stammtisches angemeldet, insoweit ja alles on track…
Jetzt sitze ich hier, schlaflos weil mal wieder beide Kinder schlechte Träume hatten und der Tag bricht an. Mir ist nach Rilke zumute ein wenig, aber dafür reicht es auch nicht gerade. Aber diese Stille am morgen, der schon helle Tag doch noch ohne Leute. Als würden alle grad verschlafen, also bis auf die paar Nerv-Vögel dort in den Bäumen. Noch ein Grund warum es nicht für Rilke reicht ist Prism. Wie mich das wahnsinnig macht. Weniger das Abhörprogramm an sich, vor allem aber die Reaktionen der meisten Politiker. Ich kann es einfach nicht glauben, dass die meisten den fundamentalen Verstoss gegen Grundprinzipien einer freiheitlichen Demokratie und Zivilgesellschaft nicht sehen, das macht mich echt sprachlos.
Überwachung ist schlimm und perfide, denn sie tötet den Geist schon allein durch ihre schiere Existenz. Man muss nicht “das Leben der anderen” gesehen oder Verwandte in der DDR gehabt haben um das zu Wissen, aber vermutlich hilft es. Und man muss nicht Brazil gesehen haben, um zu wissen wie sehr sie sich gegen uns wenden kann (man muss wohl eher sagen “wird”), zu jeder Zeit, in jeder nur erdenklichen verdrehten Weise. Denn Snowden hat das selbst so klar formuliert
wie man es selten hört (ab 7:12):

Es gibt wenige Dinge, die für mich so sehr zum Kern von dem vordringen, was ich unter Politik verstehe, wie dies. Dass wir einen Rahmen schaffen, der Meinungsfreiheit ermöglicht und absichert. Und dass wir uns verdammt nochmal empören bis aufs Blut wenn das mit Füssen getreten wird.

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Let me tell you about hard work – warum SPD nochmal

March 24th, 2011 — 8:46am

Habe ja zuvor wortreich versucht zu erklären, warum ich die SPD die richtige politische Heimat finde. Gerade ist mir nochmal eine kürzere Variante eingefallen. Also, was meint eigentlich nochmal soziale Gerechtigkeit?

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9eDJ3cuXKV4[/youtube]

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Was ich von der – meiner – SPD erwarte

March 17th, 2011 — 12:26pm

Jetzt bin ich also Genosse. Wie ich an anderer Stelle dargelegt habe, hatte das einen speziellen Entstehungszusammenhang, allerdings gibt es tiefere Gründe und die Entscheidung war natürlich schon länger gereift. Hatte konkret die Mitglied-werden Seite schon mehrmals aufgerufen, über die letzten Monate und auch schon mindestens einmal ausgefüllt…
Es ist natürlich unfassbar uncool, in einer Partei Mitglied zu werden. Keine Ahnung wieso genau und ob das früher anders war. Aber mein Eindruck ist definitiv so. Abgesehen davon, dass es einfach nicht dem Geist der Zeit entspricht, schon gar nicht hier in Berlin Prenzlauer Berg, habe ich den Eindruck, dass die Leute einem einen sofortigen Verlust von Urteilsvermögen und eigener unabhängiger Meinung unterstellen, sobald man sich dazu bekennt.
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SPD ist jetzt Kölschpartei

March 16th, 2011 — 9:23am

Jetzt bin ich also SPD-Mitglied geworden, bin noch etwas verkatert von der Aktion gestern – freue mich aber erstmal so nett aufgenommen worden zu sein!

Wie es dazu gekommen ist, kann man auf twitter nachlesen – ich wollte im wesentlichen die Genossen Richel und Boehning davon abhalten, in einer kölschen Kneipe durch den Genuss inadäquater Substanzen aufzufallen (angeblich war alkoholfreies Weizen, Milchkaffee und irgendein Pils im Spiel). Daraufhin formulierten wir einen deal, der auf “Kölsch für Mitgliedschaft” hinauslief…
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Comment » | Netzpolitik, Politik, twitter

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