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Mechanomorph – vom Selbst als While-Schleife

May 13th, 2017 — 1:57pm

Blickt man zurück in die Geschichte des menschlichen Geistes und der Kultur wird schnell klar, dass unser Bewusstsein und unsere Konzeption von uns selbst immer schon Produkt der Verhältnisse war, in denen wir lebten – das kann man vor allem rückblickend zum Beispiel gut an der Kunst eines jeweiligen Zeitalters erkennen. Vieles davon verläuft kontinuierlich und entlang dem gesellschaftlichen und technologischen Wandel – einige AutorInnen vertreten aber auch die Ansicht, dass es Sprünge in dieser Entwicklung gibt, wie z.B. die Entdeckung der Perspektive in der Kultur der Renaissance (Jean Gebser und andere), die Entdeckung des Seelischen bzw. des Unbewußten mit dem Erscheinen von Sigmund Freuds Traumdeutung, die Einführung des Geldes (Christiana von Braun) usw. – man kann also festhalten, dass die Art wie wir denken, arbeiten und uns und andere wahrnehmen eben nicht konstant oder naturgegeben, sondern in hohem Maße bedingt ist.
Einen umbruchartigen Wandel bemerkt man häufig auf vielen Ebenen der Gesellschaft, also den ökonomischen Verhältnissen, Machtstrukturen, in den Rollenbildern oder eben auch in der bildenden Kunst und der Literatur.
Was ich mich frage – wenn wir uns inzwischen alle so einig sind, dass die Digitalisierung voll im Gange ist und eine ziemliche Umwälzung nach sich ziehen wird – spräche nicht einiges dafür, dass wir uns auch an der Schwelle eines solchen Bewusstseins-Wandels befinden?
Und jetzt noch eine ganz andere Betrachtungs-Ebene – aus meiner Introspektion: Es gibt ja diese Übergangszustände, die häufig (bei mir zumindest) unter starker Übermüdung auftreten, also Zustände wo der Geist schon halbwegs funktioniert aber auch noch an der Schwelle zum Traum balanciert – und die Kontroll-Mechanismen noch nicht wirklich greifen. Man aber dennoch schon – oder noch – Dinge tun muss, z.B. Milch für das Kind warm-machen. Oder noch eben etwas aus der Küche wegräumen. In diesen Phasen habe ich seit einigen Jahren etwas an mir festgestellt, das ich ziemlich faszinierend finde, wenn auch sehr schwer greifbar, denn kognitive Vorgänge in diesen Phase sind darin Träumen recht ähnlich, dass sie sich nicht in der Erinnerung verankern lassen. Wenn man also nicht explizit etwas dafür tut, wird man sich schon wenige Minuten nicht mehr erinnern, bestenfalls noch an das Abbild, also dass da “was war”. Deshalb kann ich es hier auch leider nur in groben Zügen beschreiben. Habe mir vogenommen, das in der nächsten Zeit bewusster aufzuzeichnen und dann evtl. hier nachzuliefern. Also: was bei mir in solchen Zuständen immer wieder geschieht ist, dass ich mich selbst und auch Menschen um mich herum als Computer wahrnehme. Und zwar nicht im Sinne von “wie ein Computer”, also als Methapher/Analogie, sondern wirklich als wäre mein Gehirn und meine Seele ein PC-System (ok, irgendwas mit Linux von mir aus). Ein Beispiel habe ich zum Glück noch konkret vor Augen, und das ist beim Erwärmen der Milch fürs Kind. Das machen wir immer im Milchaufschäumer für den Kaffee, was die Herausforderung mit sich bringt, dass die Milch da eigentlich zu heiss wird. Also stecke ich meinen Finger in die rotierende Milch um den richtigen Zeitpunkt abzupassen. In diesem Moment schaltet mein Bewusstsein immer mal wieder wie fahrlässig in einen Modus um, wo ich mich selbst als eine Art Arduino-Controller sehe, der in einer kleinen While-Schleife den Temperatur-Fühler prüft und wartet dass der Rückgabewert dem erwünschten Threshold entspricht. Mehr nicht, das sind auch meist nur so kurze Gedankenbilder die schnell wieder vom Wachbewusstsein empört überschrieben werden. Aber es gibt diese Momente. Andere Fälle sind müde Begegnungen mit meiner Frau oder meinen Kindern wo ich kurz überlege wie deren CPU-Auslastung wohl gerade aussieht oder ob bestimmte Register jetzt auf andere Werte gesetzt werden o.ä. – ist jetzt schwer konkret zu beschreiben weil ich das eben nicht genau genug erinnere. Passiert aber immer wieder. Übrigens am zuverlässigsten immer dann, wenn starke Beschäftigung mit Computern auf starke Übermüdung trifft. Häufig spielt Code dabei auch eine zentrale Rolle, d.h. ich konstruiere mir einen vermuteten Zustand des gegenübers oder meiner selbst als ein Stück PHP-Code wenn man so will (ja, sorry).
Mag sein, dass das nur versponnene Müdigkeits-Selfish-Fantasien ohne jegliche Bedeutung sind – ist sogar sehr wahrscheinlich.
Dennoch frage ich mich, ob es mit unserem Bewusstsein nicht etwas tiefgreifendes anstellen könnte, wenn wir uns inzwischen während unserer kompletten Wachphase mit einer Internet-Schnittstelle umgeben. Und wenn diese Schnittstelle in naher Zukunft sogar immer weniger gegenständlich sein wird, weil sie als implantierte Sensorik, Sprach-Aura oder anderweitig omnipräsent und natürlich smart auf uns abgestimmt daherkommt.
Wenn die Entdeckung der Räumlichkeit im ausgehenden Mittelalter so eine Revolution im Denken und in der Malerei verursachen konnte – was sagt es uns dann, wenn mittlerweile jeder im öffentlichen Raum auf eine Glasplatte starrt und seine echte Umgebung kaum mehr wahrnimmt?
Spannend finde ich diese Frage übrigens auch im Hinblick auf die Mensch-Maschine Diskussion, im Zusammenhang mit KI und maschinellem Lernen. Denn da diskutieren wir immer so, als würde eine maschinelle Intelligenz sich auf uns zubewegen, und als würde sich nur die Frage stellen, wie nahe die uns am Ende kommt. Was, wenn wir auch in Bewegung geraten und auf diese Intelligenz zugehen? Wie wäre es, wenn die Grenze zu den Maschinen zunehmend permeabel würde, weil wir in unserem Selbstkonzept zunehmend maschinelle Anteile aufnehmen?
Alles nur lose Gedanken bisher. Aber ich werde jetzt mal anfangen, diese Phänomene ein wenig systematischer aufzuzeichnen.

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Warum ich #men4equality unterstütze – und warum es mir nicht leichtgefallen ist

September 16th, 2016 — 7:09am

Als ich gefragt wurde, ob ich bereit wäre die Initiative #men4equality zu unterstützen, gab es zwei spontane Reaktionen. Ja! und Oh….(lieber nicht)! Das will ich kurz erklären.
Ich hasse männerdominierte Veranstaltungen. Die Studienlage was Diversität und deren Einfluss auf einen guten Diskurs, Kreativität usw. anbelangt ist deutlich – das wird auch von meiner persönlichen Erfahrung unterstrichen. Das gilt darüber hinaus übrigens auch für Firmen und Zusammensetzung von Teams generell. Und ausserdem: it’s fucking 2016! Es ist wirklich unglaublich, wie wenig weit wir in diesen Fragen gekommen sind und wieviel da immer noch diskutiert werden muss – dass es überhaupt so eine Initiative geben muss, ist eigentlich unfassbar.
Aber das Problem ist real, ich habe sogar das Gefühl, dass es fast unverändert vor sich hin mäandert. Gerade gestern wieder auf einer Veranstaltung in Köln gewesen zum Thema Insurtech. Mehrere Panels, ein Haufen Pitches von Unternehmen, zig Gründerteams. Alles Männer. Ich ja auch.
Und damit komme ich zum ersten Grund, warum ich nicht gleich laut “hier” geschrien habe bei der Frage oben: Ich bin mal wieder Gründer und war dort zum Pitch eingeladen. Darüber haben wir uns sehr gefreut, als Startup muss man jede Gelegenheit suchen und wahrnehmen, um in Kontakt mit VCs und pot. Kunden zu kommen. Jetzt war ich zum Glück nicht auf einem der Panels sondern nur im Pitch – hätten sie mich auf ein Panel eingeladen, wäre ich in der delikaten Lage gewesen entweder vereinbarungsgemäss abzusagen mit Hinweis auf speakerinnen.org, oder teilzunehmen und damit am Launchtag der #men4equality Kampagne auf einem all-men panel zu sitzen. Na toll.
Das soll keine Entschuldigung und kein Rauswinden sein – ich will damit nur sagen, dass es nicht leicht ist, der Selbstverpflichtung zu folgen weil die verdammten all-men Veranstaltungen eine Realität sind. Der Männeranteil bei VC-Firmen pendelt häufig irgendwo im Bereich von 90+%. Deswegen ist die Noah-Konferenz ja auch so toll gelaufen. Aber was machst Du als Startup, wenn Du bei der nächsten Noah auf ein Panel geladen wirst?
Es gibt natürlich Mittelwege – als die Münchner Medientage mich vor einiger Zeit für den Online-Gipfel einluden habe ich z.B. tatsächlich auf das Problem hingewiesen und an meiner statt eine Frau aus der Branche vorgeschlagen. Wurde abgelehnt. Der Online-Gipfel wurde im Folgejahr übrigens aus dem Programm der Veranstaltung gestrichen…
Ich kenne die Problematik übrigens auch als Veranstalter – mit meiner Ex-Firma nugg.ad habe ich zweimal die Data-Days in Berlin veranstaltet. Ein ausgewogener Frauen-Männer-Anteil gehörte zum Briefing meiner Leute und der Agentur vom ersten Tag an – und wir haben bis zum Beginn der Veranstaltung fast täglich darum gerungen. Weil es wirklich schwer ist genügend Frauen zu gewinnen für so eine Veranstaltung – ist ja auch klar. Man will einflussreiche bekannte Leute zu den Themen, und wer ist da wohl einflussreich und bekannt? Meistens Männer – oder zumindest sieht es für uns so aus… Die ganze Runtermach-Männerkultur sorgt ja auch dafür, dass Frauen sich generell weniger trauen und dann lieber nicht sprechen wollen – schon gar nicht wenn sie mit fünf superschlauen Männern auf einem Podium sitzen sollen. Uns ist es damals gelungen fast 40% Frauenanteil zu haben, aber nur unter grössten Anstrengungen. Gelohnt hat es sich definitiv, wir hatten Teresa Bücker und Anne Roth als Keynote-Speakerinnen, Lorena Jaume-Palasi als brilliante Panelistin, und sogar die Europäische Kommission wurde durch eine Frau vertreten. Im Startup-Pitch waren es dann aber wieder ausnahmslos Männer – es gab einfach nicht eine einzige Bewerbung eines Startups durch eine Frau!
Wegen dieser Erfahrung habe ich übrigens den allergrössten Respekt vor der re:publica, die es bei einer immensen Anzahl von SpeakerInnen immer wieder schafft nahezu eine 50:50 Verteilung hinzubekommen – das ist wirklich eine fantastische Leistung!
Die Initiatioren von #men4equality haben also recht – es hilft VeranstalterInnen darauf hinzuweisen und Druck aufzubauen – ausgeglichene Podien bekommt man nur annähernd hin, wenn es im mindset der Veranstalter von Tag1 eine Priorität ist*.
Und wer noch nicht ganz überzeugt ist – es gibt ein schönes Real-World Beispiel, das fast einem experimentellen Setting gleicht und das Problem wunderschön darlegt: In Berlin finden regelmässig Veranstaltungen zum Thema Internet of Things statt – konkret vor allem die thingscon und die iotcon. In 2014 fanden sie sogar fast parallel statt, also: gleiches Thema (grob), gleicher Ort, gleiches Zeitfenster. Und was soll ich sagen – die thingscon schaffte es ein wunderbar ausgeglichenes Set von Speakerinnen und Speakern hinzubekommen (kann man hier noch sehen), während die iotcon ein paar Kilometer entfernt die typisch dröge all-men Nummer abzog. Und natürlich war die thingscon die bei weitem bessere Veranstaltung, inspirierender, offener, sympathischer.
Aber – um meinen Konflikt nochmal schön zu beleuchten: Es ist 2016, die thingscon pausiert dieses Jahr, die iotcon hat gerade stattgefunden und war wieder mehr oder weniger all-men. Und wir waren Sponsor mit unserem Startup. Fuck.
Ich fühle mich dem Committment von #men4equality natürlich trotzdem verbunden, und werde es als Ansporn nehmen den Druck auf VeranstalterInnen hoch zu halten**. Aber wir müssen uns auch klar machen, dass es bei weitem nicht reichen wird. Wir brauchen diesen Druck auf allen Ebenen, bei Einstellungsgesrpächen, bei Startup-Pitches (“warum habt ihr nur Männer im Team?”), bei Besetzung von Führungspositionen (ja, wir brauchen eine Quote) und im Alltag. Man kann aus der Veranstalter-Problematik allerdings auch was schönes lernen: We can do it. Es ist mühsam und braucht Aufmerksamkeit von Tag1 an. Aber wenn es gelingt kommt sowas raus wie die thingscon oder die re:publica. Und was, wenn sich dieses learning auf die ganzen anderen Situationen wo allmen Standard ist übertragen liesse?

* wir sollten bei der Gelegenheit vielleicht auch über Formate reden und wie Konferenzen generell ablaufen. Podien mit fünf Leuten oder so funktionieren praktisch nie – kleinere Runden sind viel besser. Und schon wird es leichter eine 50:50 Verteilung hinzubekommen, wenn ich der einen Frau, die glücklicherweise bereit ist zu kommen einfach nur einen Mann zur Seite stelle. Oder wir machen gleich eine unconference und beenden diese mensplaining Steilvorlagen-Formate, wo einer vorne steht und checkermässig erläutert, wie es so läuft.
**bei der Gelegenheit möchte ich auch auf den D64-Newsletter hinweisen, der täglich auf Veranstaltungen hinweist und jeweils den SpeakerInnen-Anteil ausweist. Ein ähnliches Ziel verfolgt die Seite 50prozent.

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Der geschickte Mythos von der unendlichen Arbeit

May 11th, 2016 — 9:20am

Heute ging zufällig ein frühes Video von Steve Jobs durchs Netz [youtube]https://www.youtube.com/watch?v=gFE-Tdz24hM[/youtube]
Meine spontane Reaktion (als aktuell mal wieder dreifacher Parallel-Gründer) war wie bei vielen – oh yes! Aber irgendwas in mir grummelte auch kurz, und dann hatte ich eine Parallel-Assoziation, nämlich von einer Generalversammlung in der Siedlergenossenschaft, in der meine Frau aufgewachsen ist. Das ist eine alte Hippy-Gemeinschaft, die es geschafft hat ihre vom Abriss bedrohte Siedlung in eine Genossenschaft zu überführen. Aber bei der Versammlung standen Neuwahlen eines AR-Mitgliedes an, und dabei kam die Frage auf, warum eigentlich ausnahmslos alle Positionen der Genossenschaft (also Vorstand und Aufsichtsrat) männlich besetzt seien. Kurzes heftiges hin- und her, und dann hob einer der alten Aufsichtsräte zu einer kurzen Warnrede an, das Amt sei sehr kräftezehrend, man müsse über viel Erfahrung und Fachwissen verfügen und im Schnitt mehrere Stunden(!) pro Tag investieren, wenn man es halbwegs richtig machen wolle. Aber darüberhinaus seien Frauen für das Amt natürlich herzlich willkommen. Das waren sehr ähnliche Worte wie oben bei Jobs. Und die aktuelle Quote von Frauen, die Startups gründen liegt irgendwo im einstelligen Bereich.
Hinzu kommt ein lustiges Detail aus meiner eigenen Gründer-Vita, an das ich mich erinnerte. In meinen ersten Verhandlungen mit Investoren stellte ich den Anspruch auf (wir hatten gerade ein 8-Monate altes Baby zuhause, ungefähr wie jetzt auch) in meinen CEO-Vertrag einen verbindlichen Anspruch auf Teilzeit eingebaut zu bekommen (die Firma verbrannte zu der Zeit ca 200.000 EUR pro Monat). Die Gesichter hätte ich aufzeichnen sollen für die Nachwelt… Aber es wurde ein wenig verhandelt, recherchiert und debattiert, und dann hatte ich eine 80%-Regelung drin. Auch da war das Haupt-Argument, dass Investoren sowas natürlich gar nicht gerne sähen und es eigentlich auch nicht funktionieren könnte, wenn die Mannschaft (sic) nicht zu 100% committed wäre…
Hat dann ja doch funktioniert, und übrigens hatte ich in der Gründungsphase meiner letzten Firma tatsächlich etwas mehr Zeit für die Familie als in meiner Zeit als leitender Angestellter einer grossen Marktforschungsfirma.
Man sollte also vorsichtig sein mit dem Mantra des unvermeidlichen Arbeitswahnsinns – zumal ich auch zutiefst davon überzeugt bin, dass es als Erfolgsfaktor für ein Startup nur eine mindere Rolle spielt, oftmals könnte es sogar hinderlich sein, wenn das Gründungsteam 12h pro Tag schuftet. Stumpfe-Säge-Baum-Problem sozusagen. Für ein erfolgreiches Unternehmen ist es viel wichtiger ein paar sehr gute Entscheidungen zu treffen und diese dann durchzustehen. Klar muss man manchmal auch kämpfen und sehr viel arbeiten. Aber es ermöglicht eben auch mitten in der Woche das Baby zu schaukeln (während ich dies schreibe), weil die Oma grad nicht kann und die Mama auch arbeiten ist – beide selbstständig übrigens…

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Warum ich die Resolution von @digitalcourage zur EU-Datenschutzverordnung für falsch halte

June 6th, 2015 — 5:27pm

Der Datenschutz-Förderverein Digitalcourage hat heute zur Zeichnung einer Resolution gegen die Aushölung des Datenschutzes im Zuge der EU-Datenschutzgrundverordnung aufgerufen, die kurz vor dem Abschluss steht.
Die Lesart ist: Google, Facebook & Co, sowie im generellen die Daten-Handels-Lobbyisten versuchen den Datenschutz auszuhölen, indem wichtige Datenschutzkriterien wie z.B. die Zweckbindung und die Datensparksamkeit geschliffen werden sollen.
Tatsächlich ist alles natürlich viel komplizierter.
Zum einen kann für Google, Facebook & Co derzeit kaum etwas besseres passieren, als eine strenge EU-Datenschutzgrundverordnung, denn diese wird – trotz anderslautender Ankündigungen zum sog. “Marktortprinzip” – für US-Unternehmen in vielfacher Weise nicht gelten, insbs. weil es keine Bestrebungen gibt, das bilaterale Safe-Harbor Abkommen (bzw. die Entscheidung der EU-Kommission diesbzgl.) aufzuheben, das es US Unternehmen ermöglicht, durch eine einfache Erklärung (gegenüber US-Autoritäten) so behandelt zu werden, als wären Ihre Daten und Datenverarbeitungsprozesse auf EU-Level. Der Staatssekretär des BMI, Ole Schröder, hat noch vor wenigen Wochen auf einer Konferenz der FAZ in Berlin zum Thema gesagt, es gäbe keine Pläne Safe-Harbor aufzukündigen. Dies wird auch von anderen Stellen bestätigt. Hinzu kommen weitere Handels-Abkommen, die eine ähnliche Wirkung haben werden, wie z.B. das aktuell bekannt gewordene TISA.
Der Effekt für US-Unternehmen wäre also grob: höheres Datenschutz-Niveau für Digital-Unternehmen, die in der EU ansässig sind (mit ihrem Haupt-Sitz), und gleichbleibend lasche Regeln für US-Unternehmen. Warum sollte man dagegen anlaufen?
Tatsächlich wird die EU-Grundverordnung in vielen Bereichen eine deutliche Verschärfung des Datenschutz-Niveaus zur Folge haben, insbs. auch in anderen EU-Staaten, die bisher laschere nationale Regeln implementiert haben, aber auch in Deutschland. Denn hier gilt bisher z.B. der wichtige Absatz 15(3) des Telemediengesetzes, der die sog. “Pseudonymisierung” ermöglicht, und Unternehmen im Gegenzug erlaubt derart abgesicherte Daten ohne vorherige Zustimmung des Nutzers, sondern nur mit Widerspruchsmöglichkeit zu verarbeiten (Pseudonymisierung bedeutet, dass in einem Datensatz die Merkmale entfernt werden, die einen direkten Personenbezug ermöglichen). Diese Regel ist so nicht in der EU-Verordnung implementiert (zumindest nicht im Entwurf des Rates, aber selbst im Text des Parlamentes taucht das Prinzip nur bruchstückhaft auf). Das würde bedeuten, dass in Zukunft alle erhobenen Daten als personenbezogene Daten gelten und damit ein strenges Zustimmungs- oder Opt-In Regime einzieht*. Das ist ein bemerkenswerter Sieg der Datenschutz-Lobby, insbs. der Article-29 Working Party (Zusammenschluss von Datenschutz-Beauftragten in der EU mit quasi-amtlichem Status in Brüssel).
Natürlich wird seitens der Wirtschafts-Lobbyisten versucht, das noch aufzuweichen, insbs. über sog. “legitime Interessen”, aber der Versuch der Bundesregierung das Prinzip der Pseudonymisierung noch einzufügen wurde von den anderen EU-Mitglieds-Staaten mit grosser Mehrheit abgelehnt.
Was ich aus zwei Gründen für fatal halte, und da sind wir beim eigentlichen Problem.
Zum einen ist es fatal, weil Pseudonymisierung ein Datenschutz-Tool ist/war, und demzufolge auch von Datenschützern unterstützt wurde. Es war aber auch ein Incentive für Unternehmen mit speziellen Vorkehrungen besonders datenschutzfreundlich zu arbeiten, indem sie problematische Personenbezüge in den Daten entfernten oder gar nicht erst aufkommen liessen. Es wäre ein Verlust für datenschutzfreundliche Geschäftsmodelle, wenn diese Option wegfiele.

Nun aber zu meinem Haupt-Punkt: Ich glaube, wir stehen vor einem grösseren Problem und die Lösungen von Digitalcourage wären auch dann falsch, wenn die Annahmen bzgl. der Interessen von Lobbyisten alle richtig lägen.
Denn: Big-Data ist nicht böse. Natürlich hat es hochproblematische Anwendungsfälle und es gibt predictive policing, Aushölung der Solidarität im Gesundheitswesen über Daten-Tarife usw. – keine Frage. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass Big-Data Anwendungen zu den wichtigsten Quellen für Innovation, Wohlstand und allgemein Zukunftstechnologien beitragen werden, vereinfacht: wer die Möglichkeiten von Big-Data erschwert, erschwert Innovation auf zahlreichen Gebieten. So sind zum Beispiel sowohl das selbstfahrende Auto (das in Zukunft viele Leben retten wird) als auch die unglaublichen Durchbrüche im Bereich automatisierter Übersetzungen Big-Data Anwendungen, die möglich wurden, weil massenhaft nicht zustimmungspflichtige Daten verfügbar waren, die auch keine Einschränkung hinsichtlich Zweckbindung aufwiesen (z.B. Übersetzungen von EU-Gesetzen, aber auch zig andere Quellen aus Diensten, die z.B. Sprachverarbeitung ermöglichen). Das britische Gesundheitssystem setzt gerade voll auf Innovationen und Effizienz-Effekte durch die Öffnung von ehemals strikt personenbezogenen und hoch-geschützten Gesundheitsdaten. Und das nicht, weil Daten-Lobbyisten das gewollt haben, sondern weil man das Innovationspotential einer offenen Datenpolitik selbst in so sensiblen Bereichen einfach heben muss, um die explodierenden Gesundheitskosten gegenfinanzieren zu können (so zumindest die Argumentation des NHS). Effekte, die z.B. einfach dadurch entstehen können, dass sowohl Patienten ihren kompletten Health-Record inkl. API zur Verfügung gestellt bekommen, als auch Unternehmen und Startups in pseudonymisierter Form (ja, da gibt es viele Diskussionen und Probleme).
Die altehrwürdigen Prinzipien von Zweckbindung und Zustimmungserfordernis sowie generell Datensparsamkeit greifen einfach nicht mehr für die Zukunft, das ist meine tiefe Überzeugung, denn wenn Big-Data Anwendungen eines nicht kennen, dann ist es Datensparsamkeit und Zweckbezug (vorab). Das widerspricht sich also im Kern.
Allerdings sollten die Prinzipien nicht einfach über Bord geworfen werden, keineswegs. Aber wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Datenschützern, Politikern, Unternehmen und Lobbyisten (ja!) um neue Datenschutz-Prinzipien zu finden, die für das Big-Data Zeitalter taugen. Wenn die Datenschützer sich einfach hinter den alten Prinzipien verschanzen, hilft das niemandem. Genausowenig hilft es, wenn Unternehmen jetzt einfach loswurschteln (weil die Aufsicht total überfordert ist z.B.) oder PolitikerInnen irgendwelche Gesetze erlassen, nur damit mal Ruhe ist (ein bisschen passiert das gerade mit der Verordnung).
Wir müssen vermutlich noch mehr als das TMG mehrere Klassen von Daten einführen, und weiter über Pseudonymisierung und deren Absicherung nachdenken. Wir müssen vermutlich an vielen Stellen vom Prinzip der Zweckbindung abgehen, vll. auch indem neue Zwecke mit Zustimmung definiert werden können, vermutlich aber eher indem auf sog. risikobasierte Ansätze geswitched wird oder eben rechtliche Fragen im Moment der Anwendung von Daten (und nicht im Moment der Erhebung) relevant gemacht werden. Wir müssen sicher auch einen Bereich personenbezogener Daten definieren, der vll. noch stärker als bisher abgesichert wird. Wir müssen die im Digitalen viel leichter zu nutzenden Möglichkeiten der Transparenz wirksam in Gesetze und Praxis einziehen, z.B. indem Nutzer ihre Daten und deren Nutzung jederzeit nachverfolgen und auch nachjustieren können. Und ich würde sogar soweit gehen, dass es in bestimmten Bereichen regelrecht Prinzipien der Daten-Verschwendung geben muss, also maximale Daten-Erzeugung, Zugänglichmachung, Standardisierung etc.

Das wird schwierig und fundamental. Aber ich halte es für eine essentielle Aufgabe, wenn wir eine neue Balance von Schutz/Regulierung, Empowerment des Nutzers und Nutzungsmöglichkeiten für Unternehmen finden wollen.

*eine andere Lesart in einigen EU-Staaten ist übrigens dass pseudonymisierte Daten als “anonyme” Daten behandelt werden sollten und damit überhaupt nicht unter die Verordnung fallen (weil diese nur personenbezogene Daten regelt). In Deutschland sollte diese Lesart angesichts von 15(3) TMG und der jahrzehntelangen Praxis und Rechtsprechung dazu schwierig werden. Ein Outcome könnte also sein, dass in Zukunft solche Daten in Deutschland als unter die Verordnung fallend betrachtet werden, in Litauen aber zum Beispiel nicht – auch wenn solche Effekte durch die Verordnung an sich verhindert werden sollen. Jedenfalls wäre der Effekt wenn Pseudonymisierung in der VO geregelt würde, dass diese Daten-Klasse explizit in die Verordnung reinkäme, also in allen Ländern damit ein klares Improvement für den Datenschutz in der EU.

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Liebe Delegierte des SPD-Parteikonvents,

June 3rd, 2015 — 11:47am

auch ich möchte mich an Sie wenden mit einer Bitte zum kommenden Parteikonvent in Sachen Vorratsdatenspeicherung.

Ich bin ein Internet-Unternehmer aus Köln und in vielfacher Weise auch politisch aktiv, u.a. im Beirat des Wirtschaftsministeriums und dem der Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ich bin aber auch Gründungsmitglied von D64.
Ich möchte mich an Sie aber vor allem als Digital-Unternehmer wenden.
Das mag Sie vielleicht verwundern, denn auf den ersten Blick hat die Vorratsdatenspeicherung nichts mit der digitalen Wirtschaft zu tun.

Hat sie aber doch, und zwar vor allem aus zwei wichtigen Gründen.

Erstens: die Digitalisierung unserer Gesellschaft und der Wirtschaft schreitet zügig voran – in Zukunft werden Fabriken vernetzt sein aber auch unsere Häuser, unsere Kleidung und viele andere Dinge des Alltags. So wird es z.B. für Menschen im Alter leichter fallen, länger in Ihrer vertrauten Wohnung zu bleiben, weil digitale Hilfsmittel den Pflegedienst automatisch benachrichtigen, wenn es nötig ist. Digitales Arbeiten macht Teilhabe an Arbeit leichter, für Menschen auf dem Land, mit Kindern oder mit anderen Einschränkungen was die ständige Präsenz im Büro anbelangt.
Zahlreiche neue Geschäftsmodelle und Unternehmen werden in diesem Ökosystem entstehen, und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass schon in naher Zukunft die Mehrzahl der Arbeitsplätze von digitalen Technologien geprägt sein werden. Über Arbeit reden wird also in 10 Jahren vor allem “über digitale Arbeit reden” bedeuten.
Die Vorratsdatenspeicherung – auch in der Variante von Herrn Maas – würde das Vertrauen der Bürger und Unternehmer in die zentrale Infrastruktur dieses digitalen Wandels unterminieren – weil vorrangig Überwachungsziele damit umgesetzt würden. Das mag heute noch vielen unkritisch erscheinen – spätestens wenn die Toilette, der Badspiegel und die Bremsanlage des Autos permanent mit dem Netz verbunden sein werden, wird es uns alle betreffen. Wir brauchen ein Internet, das nicht als Instrument zur anlasslosen Massenüberwachung instrumentalisiert wird!

Zweitens: Die SPD macht in den letzten 2-3 Jahren eine immer bessere Figur, was digitale Fragen anbelangt. Das ist schön und findet zunehmend (wenn auch langsam) auch Zuspruch bei den Menschen, die sich mit digitalen Medien und Technologien beschäftigen. Und der digitale Wandel braucht die SPD – wenn Netzpolitik heute schon Gesellschaftspolitik ist, dann brauchen wir dafür die sozialdemokratische Sicht um ein Netz zu bauen, das nicht nur die Wirtschaft beflügelt, sondern auch auf Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe setzt! Bitte verspielen Sie dieses Vertrauen jetzt nicht. Ich kann Ihnen versichern, alle Augen sind am 20.6. auf den Konvent gerichtet – wenn die SPD jetzt ohne Not eine Vorratsdatenspeicherung zum Gesetz macht, wird sie ihre Stimme in der Digitalpolitik für lange Zeit verloren haben.

Herzliche Grüsse,

Stephan Noller

willy

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Heute hatte ich das erste mal Angst vor einer Maschine

May 10th, 2014 — 4:03pm

Im Rahmen eines Laborprojektes basteln wir derzeit in meiner Firma an zwei Quadcopter-Drohnen – eine in Berlin, und eine in Köln.
drohne
Die eine habe ich gerade bei mir zuhause, weil wir im Büro nicht weiterkommen mit dem Aufbau und ich die Nächte zuhause brauchte. Heute dann der Durchbruch und das Ding läuft endlich wie es soll, zumindest grob. Also Feintuning für den ersten Testflug. Denn was mir vorher nicht klar war, ist wie sehr so eine Drohne auf Algorithmen angewiesen ist, um überhaupt fliegen zu können – anders als bei einem anderen Fluggerät gibt es nämlich keine durch die Konstruktion gegebene Stabilisierung, sondern diese muss komplett von Algorithmen übernommen werden, die permanent zahlreiche Werte unterschiedlicher Sensoren mit den Drehzahlen der Motoren abstimmt, und so den Copter in Position hält. Dieser Mechanismus ist extrem kompliziert zu parametrisieren und sehr empfindlich. Eine zentraler Kennwert, der dabei eingestellt werden muss ist der sog. Derviative, der festlegt wie weitgehend der Algorithmus die Steuerung übernehmen darf, und wieviel der Mensch mit der Fernbedienung noch beeinflussen kann. Den Wert kann man von 0 (100% menschliche Steuerung) bis 100 (100% algorithmische Steuerung) einstellen.
Um es auszuprobieren, muss man den Copter in der Hand halten, die Motoren hochfahren und dann probieren, wie er auf Lageveränderungen reagiert usw.
Das habe ich eine Weile gemacht, bis ich auf die Idee kam den D-wert mal testweise ein bisschen hochzschrauben, also auf 35. Teil wieder angemacht und festgehalten, Lage minimal verändert und dann passierte es – das Ding fing wie wild an gegenzusteuern und ich hatte Mühe es überhaupt noch festzuhalten. Der Versuch über die Fernsteuerung das Gas wegzunehmen scheiterte – er nahm keine Steuerbefehle mehr an, dreht dafür das Gas immer weiter auf… verzweifelt versuchte ich noch ans zentrale Stromkabel zu kommen, dafür hätte ich aber beide Hände gebraucht. Schliesslich hat er sich zur Seite gedreht und sich mit dem Propeller in meinen Arm gebohrt, dann ging er aus. Der Pulli hat an der Stelle jetzt ein Loch und der Arm einen kleines Hämatom (na ja…).

pulli

hämatom

Nicht weiter tragisch – that’s Makertum könnte man sagen. Problem ist aber – ich hatte richtig Angst vor dem Teil (also nicht diese abstrakte intellektuelle Angst die man in dem Fall meistens meint, das war echte Angst) und es war wirklich gespenstisch, wie bedrohlich dieses kleine Spielzeug mir plötzlich vorkam. Kommtar meiner Frau als ich ihr davon erzählte (es war auch eine Vase zu Bruch gegangen bei der Aktion): “Vielleicht gar nicht schlecht, wenn Du mal Angst vor den Dingern bekommst.”

Ich denke, in 10 Jahren werden wir von solchen algorithmisch gesteuerten Dingen umgeben sein, Drohnen, Autos, Haushalts-Assistenten, Überwachungsanlagen am Flughafen, operierende Roboter und Diagnostik-Maschinen (IBM lässt Watson zur Zeit schon auf Millionen von Patientenakten trainieren, damit er Brustkrebs-Therapievorschläge machen kann). Irgendwie habe ich das Gefühl, heute in eine Fratze geschaut zu haben…

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Meine Weihnachtsbeleuchtung ist jetzt auch bei twitter

December 22nd, 2013 — 2:47pm

Darf ich vorstellen: 

birkensterni
Das ist Sternibirke (der erste Teil des Namens ist eine kleine Referenz an unsere Zeit in Berlin), bestehend aus 5 Weihnachtssternen, die in der Birke vor unserem Haus hängen. Ein kleiner Raspberry überwacht Eure tweets und wenn Sternibirke eine Mention bekommt, blinkt er/es kurz. Eine reine twitter-xmas-Installation also wie Dittsche sagen würde.
Damit das funktioniert, fragt ein Perl-Skript alle 60sec die Twitter-API ab und sendet bei neuer Mention ein Signal an den Home-Automation Server FHEM der die Steckdose unter Kontrolle hat. Alles noch im Anfangs-Stadium – soll noch singen können und Fotos machen wenn ihr danach fragt, Update folgt.

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Hacking the House

December 8th, 2013 — 5:47pm

“My energy bill is 700Million euros, and its growing 10% every year.” Zitat eines Vorstands einer grossen Mobilfunkgesellschaft vor ein paar Tagen. Ich glaube Energie wird eines der spannendsten Themen für die nächsten 20 Jahre – also wenn es um Innovationen, Startups und einschneidende Änderungen unseres Alltagslebens geht. Und natürlich um Wirtschafts- und Standortfaktoren sowie Umweltschutz. Wir werden hoffentlich kein Fracking machen in Deutschland aber vielleicht als erstes grosses Land die Energiewende schaffen.
Wie auch immer – ich wollte mich auch persönlich damit beschäftigen. Und was liegt da näher als das fancy Thema Home-Automation? Ein Thema, mit dem man jeden Flirt lässig für sich entscheiden kann?
Eigentlich fing es aber anders an – ich wollte nämlich irgendwas mit Raspberry machen (bevor es an die Drohne geht). Und da bot sich Home-Automation an.
Also: habe mich für Home-Matic entschieden, es stehen nämlich eine ganze Reihe von Systemen zur Verfügung, die es häufig bei Elektronik-Versendern gibt, aber auch bei RWE oder Spezialherstellern. Home-Matic ist noch ganz gut bezahlbar, hat viele Zubehörteile und verfügt über einen Rückkanal der einem wissen lässt ob ein Schaltkommando angekommen ist.
Wenn man sich mal bei Conrad oder ELV o.ä. die Geräte dafür ansieht wird man schnell auf eigene Einsatz-Szenarien kommen.
Gesteuert wird das ganze bei mir mit einem Raspberry-PI, der über den USB-Port einen Dongle betreibt (kann den von busware.de empfehlen) welcher über das 886 MHZ Band kleine Funktelegramme an die Home-Matic Aktoren senden kann. Als Software dient das in Perl geschrieben Open-Source Projekt FHEM das eine breite Community-Unterstützung hat und ziemlich ausgereift wirkt. Man kann das Ganze übrigens alternativ auch direkt über die Fritz-Box betreiben – es gibt eine Beta-Firmware mit integriertem FHEM-Server.

Es gibt auch – relativ frisch – sehr einfach zu installierende Thermostaten für den Heizkörper, die sich per Funk steuern lassen. Sind wirklich mit wenigen Handgriffen zu montieren (ersetzen die manuellen Regler) und in wenigen Minuten ans System angebunden. Damit kann man dann also (auch in einer Mietwohnung) schonmal die Heizung smart steuern, wahlweise z.B. nach festen Zeiten und Szenarien oder auch mit einer intelligenten Anwesenheitserkennung (z.B. über einen Befehl in der Fritz-Box der ermittelt ob Geräte im Netz angemeldet sind).
Energiesparprinzip ist hier: Heizen nur wenn Heizen gebraucht wird (dann aber richtig, so konnte ich auch meine Familie für das Projekt gewinnen…).
Ein Home-Matic Stecker schaltet morgens die Kaffee-Maschine ein, die Rollos öffnen sich von selbst und alle Heizungen werden kurz maximal hochgefahren. Die elektr. Fussbodenheizung im Bad wird genau so aktiviert, dass der Boden angenehm warm ist wenn sich alle aus den Betten gequält haben, danach wird sie sofort wieder ausgeschaltet (der alte Regler hat das immer nur so halb hinbekommen und häufig unnötig eingeschaltet).
Zusätzlich (ok, das werden jetzt nicht mehr alle mitmachen) überwache ich den Hasenstall mit einem Temparatur-Sensor und kann ein Terrarium-Heizkissen automatisch aktivieren wenn es zu kalt wird.
Im System gibt es auch zahlreiche Aktoren die sich anstelle bestehender Schalter einsetzen lassen, sogar inkl. Adapter-Set für die gängigsten Schaltersysteme so dass “von aussen” gar nicht erkennbar ist, dass der gleiche Schalter jetzt auch per Funk schaltbar ist. Und es gibt eine ganze Reihe von Freak-Anwendungen, z.B. soll es möglich sein den Strom-/Gaszähler über einen sog. Reed-Kontakt ins System zu integrieren – diesen Magnet-Kontakt holen Bastler aus einem Fenster-Sensor heraus und montieren ihn an einer bestimmten Stelle am Gaszähler die einen magnetischen Impuls aussendet wenn er schaltet…
Über die Steuer-Software sind alle möglichen Szenarien abbildbar, zeitgesteuerte Funktionen, Gruppenbildung, schalten in Abhängigkeit von anderen Ereignissen usw. – und natürlich lässt das Ganze sich mit Hilfe von Dyndns o.ä. natürlich auch aus der Ferne schalten und administrieren. Nie mehr nach dem Urlaub in ein kaltes Haus zurückkehren oder in ein sinnlos zwischenzeitlich geheiztes. Und für EinbrauchsparanoikerInnen lassen sich schöne Anwesenheitssimulationen programmieren versteht sich…
Ach ja – irgendjemand hat sich dann kürzlich in meinen Twitter-Account gehacked und dort behauptet ich hätte das ganze Projekt überhaupt nur deshalb gestartet, Frechheit.

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A difference that makes no difference

December 3rd, 2013 — 10:44pm

Auf einen zufällig von @antjeschrupp aufgeschnappten tweet hatte ich mich zur Antrittsvorlesung von Angela Davis auf die Angela Davis-Gastprofessur des Frankfurter Lehrstuhls für Gender und Diversity Studies angemeldet (kein Witz, sie ist die erste Gastprofessorin des nach ihr benannten Lehrstuhls).
Da sass ich nun in diesem Hörsaal und hatte eine Legende der schwarzen Protestbewegung, Marcuse-Schülerin und gefeierte Theoretikerin vor mir, die schon ohne ein Wort zu sagen mit standing Ovations begrüsst wurde.
Und dann sprach sie. Über den Begriff des Feminismus und warum bereits in der Definition unterschiedliche Ausgrenzungen vorgenommen werden – weshalb sie sich nie als Feministin bezeichnet hat. Über kritische Theorie und warum eine Forderung der Abschaffung von Gefängnissen weit über die Abschaffung von Gefängnissen hinausgehen muss – nämlich hin auf eine Revolution der Gesellschaft die in ihrer inneren Logik sonst Gefängnisse braucht, also eine Revolution der Erziehungseinrichtungen, der öffentlichen Orte, der Arbeitsorte usw. Sie erzählte davon wie Schule in den USA in den letzten Jahren häufig schon mehr Ähnlichkeit mit Gefängnissen hat als mit Orten des Lernens (nämlich Disziplin und Testen). Und davon wie die Gefängnisprinzipien der Gesellschaft sich reproduzieren in emotionalen Reaktionsmustern und in die „privaten“ Beziehungen hinein, so daß immer noch gilt das private sei politisch – und umgekehrt. Alles faszinierend, tief und authentisch, auch unterlegt durch ihre jahrzentelange Aktivisten-Zeit und die Tatsache, dass sie mehrfach im Gefängnis saß und eine zeitlang auf der FBI-Liste der 10 meistgesuchten Terroristen stand. Aber es fehlt mir ausreichend Kenntnis (abgesehen von meinen eingestaubten, aber total beglückt auflebenden Frankfurter-Schule Texten im Hinterkopf und natürlich meinen Schul- und sonstigen Erziehungsfights mit meinen Töchtern immer wieder…) um wirklich inhaltlich angemessen darzustellen wovon sie genau sprach – ich hatte aber wohl den Eindruck, dass es grossartig war weil revolutionär, das ganz andere denkend, selbstreflexiv, kritisch…
Das alleine war schon hart für mich – sass ich doch da als einer, der seine Lebensenergie den Weiterentwicklung von Werbetechnologie verschrieben hatte obwohl ich gefühlt auch bei Marcuse studiert hatte…
Doch dann sprach sie noch kurz davon warum sie eigentlich ablehnt zu „Diversity“ zu sprechen obwohl die Gastprofessur das im Titel führe. Diversity sei nämlich inzwischen ein „corporate“ Begriff. Da habe man eben erkannt, dass die Maschine besser liefe wenn man ein paar Frauen oder Schwarze oder andere bisherige Randgruppen gut sichtbar sozusagen vorne draufschraubte. Und sie verwahrte sich einem Feminismus zugeschrieben zu werden, der vor allem zum Ziel habe mehr Frauen in den Apparat zu bekommen, an wichtige oder sichtbare Positionen usw.
Und mir wurde klar, dass sie Recht hat. Dass das was wir (jetzt rede ich von meiner Firma, die mit der Werbetechnologie…) als gender equality betreiben, z.B. indem wir eine pay-gap Analyse in Auftrag geben oder eben gute Arbeitsbedingungen für Frauen zu schaffen versuchen nicht mehr ist als ein schaler Abklatsch von dem was mit dem revolutionären Begriff des Feminismus gemeint ist. Und vielleicht sogar schlimmer – dass es letztlich eine Domestizierung des Konzeptes ist – nicht nur weil wir die Firma nicht gleich auflösen und das Geld an Bedürftige verteilen (und unsere Kraft auf sinnvolle Dinge verwenden) sondern auch weil wir vielleicht noch nichtmal an die Tiefenstrukturen gehen die gender unequality schaffen und perpetuieren in der Arbeit. Also z.B. Sprechmuster, die Art wie wir arbeiten und vor allem die Art wie wir Autonomie definieren und vermutlich eben auch okkupieren, nämlich als perfekte Autonomie-Simulation mit dem Ziel der maximal feingesteuerten Selbstausbeutung (Home-Office…).
Es tut übrigens nicht weh das zu sagen und ich halte es auch nicht für übertrieben. Ist einfach wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass „diversity“ tatsächlich längst ein corporate Konstrukt ist und wir uns nicht weiß machen sollten damit Ziele zu erfüllen, für die Angela Davis 60 Jahre gekämpft hat.
Ich glaube wenn man sich das bewußt macht und das Bewußtsein wach hält kann es ok sein für diversity und gegen den gender pay-gap zu kämpfen, wohl wissend, dass man damit nicht viel erreicht weil die eigentliche Aufgabe eine andere ist. Und übrigens auch wissend, dass man unter Umständen eine Befreiungs-Simulation betreibt die alles nur noch schlimmer macht – „a difference that makes no difference“.

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Daten und Solidarität

November 10th, 2013 — 1:26pm

Vor einigen Jahren saß ich mit @horax in einem stickigen Münchner Büro bei unserem damaligen Arbeitgeber TNS Infratest. Man hatte uns dorthin entsandt, weil wir bekannt waren für ungewöhnliche Datenanalysen und man glaube ich nicht so genau wusste, was man mit uns machen sollte. Idee war aus Gesundheitsdaten Ableitungen für die CRM-Abteilungen diverser Pharmakonzerne zu machen. Was soll man lange drumherumreden. Man kippte uns ein paar Daten auf den Tisch und bat uns zu schauen was man machen könne, die Daten seien leider künstlich beschnitten – um gerade den entscheidenden Teil. Die Daten war eine Datenbank mit Verschreibungsdaten die auf sogenannte „Nanobricks“ gemappt waren – das entpuppte sich als eine Verklumpung mehrerer Arztpraxen, denn aus Datenschutzgründen durften keine solche Daten auf Praxis-Ebene existieren. Die wiederum gab es bruchstückhaft aus anderen Quelle für ein paar Praxen wo sich ein Arzt gegen ein paar Euro dazu überreden liess sie – halbwegs anonymisiert – herauszugeben. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, also ich zumindest. Wenige Wochen später hatte ich einen Termin bei einer großen Krankenkasse, wiederum ein Datendialog, ähnliches Ergebnis. Krankenkassen hatten keine Verschreibungsdaten ihrer Versicherten. Mich verwirrte das – wie konnte das sein, dass diese Daten nicht verfügbar waren (die Krankenkasse hatte übrigens durchaus eine Riesen-CRM Datenbank mit Algorithmen und pipapo, nur halt nicht die Verschreibungsdaten…)? Und da gabs noch kein Big-Data und keine Strata-Konferenz und kein Hadoop. Offensichtlich war hier ein starkes Anti-Daten-Regime im Gange, und das selbst in einem Multi-Milliarden-Business wo Pharmakonzerne ganze Heerscharen von Vertrieblern durchs Lande schickten um ihr Zeug an den Mann und die Frau zu bringen.
Natürlich hat das was mit Datenschutz-Aspekten und gesetztlichen Vorschriften zu tun – doch darauf will ich jetzt gar nicht eingehen.
Ich bin nämlich ein Fan der gesetztlichen Krankenversicherung. Und das obwohl ich seit Jahren über der Pflichtversicherungsgrenze liege und schon zigmal irgendeinem Finanz-Heini eine Absage erteilen musste, als er sagte „das erste was wir tun sollten ist sie privat versichern“. Übrigens – nebenbei gesagt: Weil er mir helfen wollte Geld zu sparen – beim Wechsel in die Private spart man gerne mal bis zu 200 EUR monatlich (selbst mit Kindern). Ist wichtig zu sagen weil privat Versicherte gerne den Mythos pflegen sie würden das Gesundheitssystem finanzieren… Warum ich Fan der Gesetzlichen bin ist relativ schnell erklärt, weil dafür ausser einem kaum ein Grund in Frage kommt: sie ist solidarisch. Mit meinem Mehrbeitrag finanziere ich die Gesundheitsleistung von ein paar Geringverdienern, Alleinerziehenden oder sogar Illegalen die mit geliehener Karte zum Arzt gehen. Die Leistung ist schlechter als in der Privaten aber es ist eine immer noch gute Leistung die dafür allen zugänglich gemacht werden kann. Neben dem direkten und leicht erkennbaren sozialen Wert solcher Einrichtungen halte ich derartige Konstrukte für Errungenschaften hoch entwickelter Gesellschaften (siehe USA, bzw. not). Dass man solidarische Systeme schafft in die auch Leute mit schwacher Leistung reinkommen ohne traktiert zu werden, ja Systeme die sogar Missbrauch aushalten und mitfinanzieren.
Aber zurück zu den Daten. Offenbar haben wir nicht nur ein paar gute solidarische Komponenten in unserer Gesellschaft sondern konnten diese auch gut absichern was die Sammlung und den Zugriff auf die Daten anbelangt (wer schon die neue ‚Gesundheitskarte jetzt neu mit Foto’ in der Tasche hat kann sich ja mal vorstellen was das für Illegale bedeutet).
Und ich glaube es gibt da einen wichtigen Zusammenhang, denn was @horax und ich damals (übrigens weitgehend erfolglos) probierten war den Praxisbezug in den anonymisierten Daten wenigstens grob rechnerisch/statistisch wiederherzustellen. Um dem Pharma-Vertriebler ein Werkzeug an die Hand zu geben, dass er sein neues Medikament nur den Praxen zur Verfügung stellt die hohen Absatz in Aussicht stellen können. Und aus heutiger Sicht ist das natürlich bedrohlich wie ein Strauß Gänseblümchen für den Muttertag. Gerade wurde auch in Deutschland der erste KFZ-Versicherungstarif mit GPS-Tracking eingeführt. Ein Gesundheitstarif massgeschneidert nach persönlichem Risiko (gemessen an Verschreibungs- und Gesundheitsdaten) ist sicherlich längst in der Mache – wer heute eine Lebensversicherung oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschliessen will kennt das längst (die BU wurde übrigens von einer solidarisch allen zugänglichen staatlichen Leistung vor einigen Jahren in eine privat zu beziehende umgewandelt – die leider nur noch bestimmten Menschen, deren Daten stimmen, zugänglich ist).
Worauf ich hinaus will – Daten und BigData kommen vor allem mit einem Versprechen – Dinge zurechenbar zu machen. Jeder Datenpunkt ist ein Faktor in der individuellen Risiko-Kalkulation und Verhalten wird direkt in Prämie umgerechnet. Diese Modelle – egal ob es um Kreditrisiko oder Buchempfehlungen geht versuchen immer individuell zu sein, individuell ist die Königsklasse. Übrigens auch das Faszinosum, also hochindividuelle Empfehlungen, egal ob bei Partnervermittlung oder Urlaubsreise oder Fitnessberatung ist unser Streben in den Startups und Digital-Businessplänen.
Und wir Big-Data und Digital-Apologeten natürlich vorne an, wir lieeeben ja Data. Wirklich.
Meine Frage ist aber was das für Auswirkungen für solidarische Systeme hat wie meine gesetzliche Krankenversicherung mit ihren multipel abgeschotteten Daten, die sich einer CRM-Verwertung so standhaft entziehen? Oder anders gefragt: Wieviel neoliberale Anteile kaufen wir stillschweigend bei Big-Data und seinen Anwendungen mit ein?
Noch ein anderes Beispiel: Alle sind ja begeistert von der neuen Sharing-Kultur, right? Habt ihr schon mal in so einem Airbnb Haus gelebt, also dauerhaft? Das ist wirklich schrecklich, weil das Haus eben plötzlich so persönlich und verbindlich ist wie ein Ibis-Hotel. Man kennt niemanden, fremde Menschen begegnen einem auf dem Gang und man macht sich gar nicht die Mühe so eine sanfte auf-dem-Gang Beziehung aufzubauen wo man nach 3 Monaten leise Hallo murmelt weil die Person eh in einer Woche nie mehr gesehen werden wird.
Sharing-Kultur heisst eben auch Zerstörung von sozialem Lebensraum, in diesem Fall der Hausgemeinschaft. Es heisst übrigens auch Kommerzialisierung einer Sache die bis dato privat war – nämlich seine Wohnung jemandem überlassen den man kennt und nett findet (oder sein Werkzeug, sein Auto usw.). Und vertrauenswürdig. Achso, dafür gibt es ja jetzt ein Bewertungs-System und eine Versicherung, stimmt.
Auch diese Debatte gibt es ja, New York versucht AirBnb einzugrenzen durch gesetztliche Vorgaben und in Berlin gibt es ähnliche Überlegungen. Alles viel gescholten von der Digital-Industrie als Innovationsfeindlichkeit und Verhaftetheit mit dem alten, voll Bouffier-haft eben.
Und ich denke so – haben wir die gesellschaftlichen Effekte von Big-Data und seinen Anwendungen ausreichend bedacht?
Gibt es Möglichkeiten Entsolidarisierungseffekte von BigData-Anwendungen zu verhindern oder gar ins Gegenteil zu verwandeln? Ich weiß, die Sharing-Kultur kommt ja häufig explizit mit diesem Versprechen sozial zu sein daher, so ganz glaube ich das halt nicht. Ist nicht in dem Opaken der Daten, also der Nichtverfügbarkeit, Undurchlässigkeit etwas konserviert was wir mit Datentransparenz notwendig auslöschen? Und – was ist in diesem Fall eigentlicht Transparenz – ist das nicht eher Einschränkung von Autonomie die sich im Opaken nur entfalten konnte unter dem Mäntelchen des Empowerment? Und überdies – warum führen wir eigentlich die gesellschaftlichen Debatten die zu den obigen Datenschutzbestimmungen und zahlreichen anderen Schutzprinzipien geführt haben in Bezug auf BigData nicht?

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